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Das Osterwochenende 1945 hatte – abgesehen von vielen Tieffliegern – zunächst vergleichsweise ruhig begonnen. Und doch war der Zusammenbruch der von Westen nahenden Front absehbar. Im Hinterhof des „Braunen Hauses“ in der Marienstraße 10, in dem die Kreisverwaltung der NSDAP untergebracht war, wurden Akten verbrannt. Und auch in der Bevölkerung riet man sich, alles, was mit der NSDAP in Verbindung gebracht werden könnte, besser verschwinden zu lassen. Lingen, so hieß es, sollte in eine Festung umgebaut werden. Doch die Realität war davon weit entfernt. Abgesehen von Ems und Kanal, die einen natürlichen Schutz boten, gab es lediglich aus Baumstämmen errichtete Panzersperren, einige französische Kleinpanzer, außerdem kleinere Schützengräben an der Emsbrücke bei Schepsdorf.
In der Nacht zum Osterdienstag, dem 3. April 1945, drangen britische Truppen bis nach Nordhorn vor. Hummeldorf und Rheine wurden eingenommen. Am frühen Morgen wurde von deutscher Seite die Emsbrücke bei Schepsdorf gesprengt, um den Gegner an der Überfahrt zu hindern, und in Lingen wurde Feindalarm gegeben. Daraufhin flüchteten die Lingener in Scharen aus der Stadt, um in den umliegenden Ortschaften unterzukommen. Das Führungspersonal des Eisenbahn-Ausbesserungswerkes verließ die Stadt in Richtung Oldenburg. Und der Landrat hatte sich mit seinem gesamten Stab ins vorläufig noch sichere Baccum zurückgezogen. Das Lebensmitteldepot in den Kasernen wurde zur allgemeinen Plünderung freigegeben. Während des gesamten Tages und der Nacht zum Mittwoch stand die Stadt von Lohne aus unter Artilleriefeuer. Wenige deutsche Schüsse antworteten aus Richtung Freren.
Nur unter großen Schwierigkeiten konnten die Engländer über Ems und Kanal setzen. Lingen wurde nicht, wie die Alliierten es erwartet hatten, friedlich übergeben, sondern durch die Wehrmacht im Straßenkampf verteidigt. Wenn sie dies gewusst hätten, so äußerte sich ein britischer Soldat, hätte man die Stadt zuvor mit Flugzeugen zerstört. Am Donnerstag versuchten drei veraltete deutsche Panzer die Rückeroberung der Stadt. Zwischen Böhmerhof und Pferdemarkt wurden sie von englischen Panzern eingekreist und in Brand geschossen.
Der andauernde Artilleriebeschuss hatte schwere Schäden angerichtet. Brände wüteten auf dem Markt, in der Marienstraße und in der Lookenstraße. Einwohner wurden von umherfliegenden Granatsplittern verletzt oder getötet. Insgesamt 27 Zivilisten und 118 deutsche Soldaten fanden während der Kampftage in Lingen den Tod. Etwa dreißig Häuser wurden durch Flammenwerfer oder durch die Artillerie vollständig zerstört, darunter auch das Drostenamtshaus und die Apotheke in der Elisabethstraße. Viele der zerstörten Häuser waren nach den Bombenangriffen von 1944 gerade erst wieder aufgebaut worden.
Durch die deutsche Gegenwehr in Lingen wurde der britische Vormarsch lediglich um wenige Tage verzögert. Am Donnerstagabend war Lingen bis zur Bahnlinie fest in britischer Hand. Am Freitag verlagerten sich die Kämpfe weiter nach Osten. Laxten und Damaschke wurden beschossen.
Nach dem Einmarsch der Engländer herrschten in Lingen chaotische Zustände. Es kam zu Plünderungen und Vergewaltigungen. Die Strom-, Wasser- und Gasversorgung war zusammengebrochen, ebenso wurden die Lebensmittel knapp.
Am Freitag brannte das „Braune Haus“ in der Marienstraße. Auch das benachbarte Kino, die „Lingener Lichtspiele“, fielen den Flammen zum Opfer. Am selben Tag nahm die britische Militärregierung die Arbeit auf, verhängte eine Ausgangssperre und ernannte, da offenbar niemand vom städtischen Führungspersonal auffindbar war, den städtischen Mitarbeiter Hermann Faust zum Vertreter der Stadt. Dieser musste sein Amt allerdings schon am nächsten Tag an den Stadtkämmerer Franz Kalbhen abtreten. Erst am darauffolgenden Montag kehrte der Bürgermeister v. d. Brelie nach Lingen zurück und wurde sogleich seines Amtes enthoben. Am Dienstag, den 10. April 1945, ernannte die britische Militärregierung den Kaufmann Clemens Brackmann zum neuen Bürgermeister. Noch im Laufe der Woche nahm die Stadtverwaltung – wenn auch unter Schwierigkeiten – wieder ihre Arbeit auf.
Im Rahmen der „Herbstvorträge des Stadtarchivs“ wird Dr. Ludwig Remling über das Jahr des Kriegsendes 1945 in Lingen mit all seinen Umbrüchen, aber auch Kontinuitäten berichten. Der Vortrag findet am 17. Dezember um 19:00 im Professorenhaus statt.
Quellen und Literatur