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Am 26. März 1830 schloss der Fuhrmann Schoettmer einen Vertrag mit der Stadt Lingen. Für 18 Stüber Holländisch verpflichtete er sich, jeden Samstagnachmittag den Abfall der Hausbewohner in sämtlichen Straßen der Stadt aufzuladen und auf einen ihm angewiesenen Platz außerhalb der Stadttore zu bringen. Die Bewohner sollten ihre Abfälle in einem Behälter vor die Haustür stellen und dem Fuhrmann beim Aufladen notfalls behilflich sein. Bauschutt musste er nicht mitnehmen. Der Vertrag machte Schoettmer – soweit bekannt – zum ersten Lingener Müllmann. Er machte den Job nicht lange. Anfang 1832 übernahm der Fuhrmann Feye das Fahren des „Dreckwagens“. Er hatte sich gegenüber allen anderen Bewerbern durchgesetzt, weil er am billigsten war. Nach sechs Jahren kündigte er, und 1839 folgte ihm der Heuermann Johann Heinrich Lohaus nach. Viele Jahre war die Stadt zufrieden mit Lohaus, doch 1863 verlangte er plötzlich mehr Geld. Die Stadt erwog seine Kündigung, kam dann aber doch zu dem Schluß, dass sich angesichts der aktuellen Preislage wohl kaum ein günstigeres Angebot einholen ließe. Lohaus behielt seinen Auftrag, wenn auch unklar ist, für wie lange.
1910 jedenfalls übernahm der Neubauer Heinrich Hoffschröer die Müllabfuhr. Er sollte ein Fuhrwerk benutzten, das ein Verschütten des Inhalts ausschließe. Außerdem sollte er an sein Fuhrwerk ein hell klingendes und damit vom Milchwagen klar unterscheidbares Geläut anbringen, um sich anzukündigen. Die Stadt war inzwischen soweit angewachsen, dass sie in zwei Bezirke – einen Burgtorbezirk und einen Lookentorbezirk – unterteilt werden musste, die abwechselnd zwei bis drei Mal in der Woche angefahren wurden. Auch der Abfallbehälter der Hausbewohner musste nun bestimmten Ansprüchen genügen: maximal 70 cm lang, 30 cm breit und 40 cm hoch sollte er sein, außerdem mit einem abnehmbaren Deckel und zwei Handgriffen versehen. Sollte Hoffschröer einmal die Abholung versäumen, so musste er jedem betroffenen Haushalt 50 Pfennig zahlen. Tatsächlich kam es einmal zu Beschwerden, als Hoffschröer sich mit Rücksicht auf seine Pferde entschieden hatte, an einem starken Regentag nicht mit dem Dreckwagen auszufahren.
Problematisch wurde es erst, als Hoffschröer während des Ersten Weltkrieges im September 1916 eingezogen wurde und seinen Vertrag von einem Tag auf den anderen kündigen musste. Hastig suchte man Ersatz und fand ihn in der Witwe Bojer aus Brockhausen. Sie übernahm den Fuhrdienst aber nur für wenige Monate. Schon im Juni 1917 musste die Stadt erneut ausschreiben, doch fand sich kein einziger geeigneter Bewerber. Deshalb wurde die städtische Müllabfuhr zum 1. Juli eingestellt. Die Einwohner sollten ihren Müll fortan selbst auf den Abladeplatz an der Kuhweide bringen. Daran haben sich jedoch nicht alle gehalten. Es entstanden wilde Mülldeponien an öffentlichen Wegen, so etwa an der Weidestraße.
Erst im Januar 1918 nahm der Fuhrunternehmer Bernhard Klukkert die Müllabfuhr wieder auf. Dass er keine Klingel am Wagen führte, wurde seitens der Stadt wiederholt kritisiert, doch Klukkert war uneinsichtig. Die Klingel sei überhaupt nicht erforderlich, bei seinem Gehalt könne er sie sich ohnehin nicht leisten. Unbeliebt machte er sich auch bei Landrat Pantenburg, weil er dessen Müll nicht abholte. Offensichtlich hatte sich Klukkert mit Pantenburgs altem Gärtner zerstritten. Für Kritik sorgte auch die Müllabladestelle auf der Kuhweide. Hier flog das Papier frei herum, und täglich durchstöberten Kinder den Abfall.
Nachdem Klukkert gekündigt hatte, übernahm im Juli 1928 erneut Heinrich Hoffschröer die Müllabfuhr. Dass er dazu einen verdeckten Wagen brauchte, erfuhr er aber erst nach seiner Zusage. Für 1200 Mark schaffte er sich einen an, doch erwies sich der Wagen als zu schwer für nur ein Pferd. Zu dieser Erkenntnis kam Hoffschröer aber offenbar erst, als er sein gutes Pferd für wenig Geld an den Pferdeschlachter verkaufen musste. „Das Pferd war direkt kaputtgetrieben“, bemerkte er gegenüber der Stadt, gab aber dem schlechten Zustand der Weidestraße die Schuld. Zur Deckung seiner Kosten erbat er mehr Geld. Die Überlegungen der Stadt gingen daraufhin aber in eine ganz andere Richtung. Sie erwog, die Müllabfuhr in Eigenregie zu übernehmen und plante schon die Errichtung eines Fuhrparks. Hoffschröer befürchtete nun, ganz auf seinen Kosten sitzen zu bleiben, unterbreitete ein verbessertes Angebot und bekam im August 1929 schließlich doch den Zuschlag.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Hoffschröer ohne Angabe von Gründen zu September 1933 gekündigt und der Auftrag neu ausgeschrieben. Hoffschröer bewarb sich erneut, doch durchsetzen konnte sich schließlich der Fuhrunternehmer Bernhard Wenning. Dessen Müllwagen erwies sich bald als zu klapprig und auch als zu klein für die immer größer werdende Stadt. 1935 erwarb er vom Tiefbauamt Münster einen gebrauchten Müllwagen. 1938 wurde die Müllabfuhr reorganisiert. Da der Müllabladeplatz an der Kuhweide vor lauter Schutt nicht mehr aufnahmefähig war, fand man mit viel Mühe einen neuen Platz nahe Lohne, angepachtet vom Bauern Junge-Deitering. Die Kosten für die Müllentsorgung hatten sich damit schlagartig verdoppelt. Den Müll der Kaserne brachte Wenning einfach weiterhin zur Kuhweide, bis es ihm von der Stadt ausdrücklich verboten wurde.
Schließlich übernahm der Fuhrunternehmer Gast die Müllabfuhr, dann ein gewisser Grummler. Nach Klagen und Beschwerden über den nur unregelmäßig abgeholten Müll wurde der Vertrag mit Grummler jedoch zum Mai 1948 gekündigt und erneut Gast verpflichtet. Die Firma Gast erledigte die Arbeit noch immer mit Pferdegespann oder Trecker. Die Stadt erwägte zwar die Anschaffung eines speziellen LKW, auch um eine staubfreie Abholung zu ermöglichen, doch aus Kostengründen blieb es vorerst bei bloßen Überlegungen. Bereits seit 1918 war die Müllabfuhr durch ein Ortsstatut geregelt. Im Januar 1952 wurde es durch eine neue Satzung abgelöst. Die definierte erstmals genau, was überhaupt alles zum Hausmüll gehörte, nämlich unter anderem Asche, Schlacke, Küchenabfälle, Lumpen, Knochen, Papier und Glas. Kein Hausmüll waren hingegen gewerbliche Abfälle, Bauschutt und Flüssigkeiten, außerdem Schnee, Eis, Erde, Laub, Exkremente, Tierleichen oder Feuerwerkskörper. Außerdem legte die Satzung fest, dass der Müll mit der Verladung auf den Wagen automatisch in das Eigentum der Stadt übergehe. Und: Wenn in Folge von Betriebsstörungen die Müllabfuhr verspätet erfolge oder unterbrochen werde, bestehe kein Anspruch auf Schadensersatz. Die Satzung blieb bis 1971 in Kraft.
Quellen und Literatur