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Die Zeit des Ersten Weltkrieges war auch eine Zeit der Seuchen. Krankheiten wie Typhus, Ruhr oder Cholera verbreiteten sich unter den Soldaten. An der Lingener „Heimatfront“ waren es aber seit jeher insbesondere Tiere, unter denen immer wieder Seuchen grassierten. Eine davon war die Maul- und Klauenseuche. Hatte man schon im Dezember 1914 ein Übergreifen der Maul- und Klauenseuche aus den angrenzenden, stark betroffenen Regierungsbezirken gefürchtet, wurde die Krankheit im April 1915 tatsächlich auch im Kreis Lingen festgestellt, nämlich auf dem Hof des Kolons Kuhr in Ramsel.
Die Gemeinden Baccum und Ramsel wurden daraufhin zum Seuchenort erklärt. Der Handel mit Paarhufern wie Rindern, Schweinen, Ziegen und Schafen war hier fortan untersagt. Weitere Infektionen konnte das nicht verhindern. Im November 1915 vermeldete der Landrat eine „erhebliche Ausbreitung“ der Maul- und Klauenseuche im Kreis. Im August 1916 brach die Seuche auch in der Stadt Lingen aus. Die Kanalstraße und Am neuen Wall wurden zum Sperrgebiet mit besonderen Hygienevorschriften erklärt. Bald folgten ein Teil der Haselünner Straße und Am Galgenesch. Der Viehmarkt am 22. August fand entsprechend nur für Pferde statt, für Rinder und Schweine blieb er untersagt.
Für Schweine war auch Rotlauf ein Problem. Nachdem 1914 und 1915 zahlreiche Tiere gestorben waren, führte die Schweineversicherung „Suida“ eine Zwangsschutzimpfung durch. Doch trat die Krankheit auch weiterhin auf. Aufgrund ihrer starken Verbreitung blieben Schweine im November 1917 vom städtischen Viehmarkt ausgeschlossen. Besonders zahlreich und intensiv trat der Rotlauf in den Gemeinden Laxten, Clusorth-Bramhar sowie der Stadt Lingen selbst auf. Deshalb ordnete der Landrat dort 1918 ebenfalls eine Impfung der Schweine an.
An der Räude erkrankten etwa das Pferd des Kaufmanns Klukkert, das der Firma Albers & Co. und die Pferde des Schepsdorfer Landwirts Krämer. Das Pferd des Klosterholter Landwirts Determann, das regelmäßig den Milchwagen zur Molkerei in Bawinkel fuhr, starb an Rotz, in Lingen starben außerdem mehrere Tiere an Milzbrand. Für Hunde hingegen wurde nach Kriegsende Tollwut zu einer Gefahr. Im Stadtgebiet frei herumlaufende Hunde wurden deshalb sofort getötet.
Menschen hingegen blieben im Kreis Lingen von Seuchen zunächst offenbar weitgehend verschont. In Folge des Krieges breitete sich jedoch die Ruhr aus. 1916 lassen sich im Kreis Lingen mindestens zwei Fälle von Ruhr nachweisen, 1917 kam es zu mehreren weiteren Fällen.
Gegen Ende des Krieges erreichte dann die Spanische Grippe die Stadt Lingen. In den Lokalzeitungen mehrten sich nun die Todesanzeigen von Menschen allen Alters, verstorben nach „kurzer schwerer Krankheit“. Die Zeitungen selbst konnten zum Teil nur eingeschränkt erscheinen, weil fast das gesamte Setzerpersonal erkrankt war. Schnell verbreitete sich in Stadt und Umgebung das Gerücht, dass den Apotheken die Medikamente ausgingen. Dem wurde jedoch widersprochen: Trotz Knappheit einiger importierter Medikamente könne die Apotheke in Lingen noch alle Rezepte – auch „gegen die z.Z. herrschende Grippe“ – bearbeiten.
Der Lingener Volksbote empfahl Bett hüten, Tee trinken und Zimmer lüften. Dann bestehe kein Grund zur Besorgnis. Dass das nicht reichte, zeigt ein Blick in die Sterberegister des Lingener Standesamtes. Gewöhnlich verzeichnete man hier zehn bis zwanzig Tote im Monat. Im Oktober stieg die Zahl plötzlich auf 64 Tote, sodass Mitte Oktober erstmals ein zweiter Jahresband angelegt werden musste. Im November gab es noch immer 30 Todeseinträge. Danach normalisiert sich die Zahl wieder.
Anfang 1919 kam es in Deutschland zu einer weiteren Welle, die auch in Lingen kurzzeitig spürbar wurde. Hier stieg die Zahl der Toten im März 1919 wieder auf 29. Insgesamt darf man in Lingen von vielleicht 80 Grippetoten ausgehen. Der Magistrat vermerkte in einem späteren Bericht: „Während des Monats Oktober trat auch hier die Grippe in ziemlich starken Maße auf und sind leider auch eine größere Anzahl Todesfälle zu verzeichnen.“
Quellen und Literatur