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Das St. Bonifatius Hospital

Das St. Bonifatius-Hospital vom Ende des 19. bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts - vom Belegkrankenhaus zum Anstaltskrankenhaus mit Fachabteilungen...das St. Bonifatius-Hospital [in Lingen] vom Ende des 19. bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts

von Ludwig Remling

Als das St. Bonifatius-Hospital im Jahre 1855 gegründet wurde, hatte die Stadt Lingen 3.272 Einwohner. Bis zum Ende des Jahrhunderts stieg die Einwohnerzahl auf mehr als das Doppelte; sie betrug 7.048. Im 20. Jahrhundert hielt die stetige Zunahme der Bevölkerung an. 1939 zählte Lingen 14.168 Einwohner. Der Grund für dieses stetige Wachstum der Stadt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war der Ausbau des Eisenbahnausbesserungswerks, in dessen beiden Abteilungen Ende 1938 zusammen über 1.400 Mitarbeiter beschäftigt waren, und der Bau der Wehrmachtskasernen in Reuschberge, die 1935 bezogen wurden.
Nach dem 2. Weltkrieg setzte sich die positive Bevölkerungsentwicklung fort. Von 13.632 Einwohnern im Jahre 1945 wuchs die Stadt bis 1965 auf 26.442 Einwohner. Zahlreiche Flüchtlinge und Vertriebene fanden nach dem Kriegsende Aufnahme in der Stadt. Mehrere große Industriebetriebe ließen sich im Raum Lingen nieder. In die Kasernen zogen 1956 Bundeswehreinheiten ein. Durch den Emsland-Plan setzte ein allgemeine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Der Rückgang der Beschäftigten im Eisenbahn-Ausbesserungswerk seit den 1950er Jahren konnte dadurch ohne größere Probleme aufgefangen werden .
Aus der Zunahme der Bevölkerung Lingens ergab sich fast zwangsläufig eine ständig steigende Nachfrage nach Krankenbetten. Sie führte zusammen mit den Fortschritten in der medizinischen Forschung und den gesundheitspolitischen Für- und Vorsorgemaßnahmen des Staates dazu, dass das St. Bonifatius-Hospital seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in regelmäßigen Abständen durch An- und Neubauten vergrößert und gleichzeitig modernisiert wurde. Eng verbunden war mit dieser kontinuierlichen Erweiterung ein allmählicher Wandel in der Leitung, der internen Organisation und der Personalstruktur.

Bei den regelmäßig von staatlicher Seite durchgeführten Überprüfungen des St. Bonifatius-Hospitals traten gegen Ende des 19. Jahrhunderts Unzulänglichkeiten und Mißstände immer offener zu Tage. Die Zahl der Betten reichte nicht aus, die Deckenhöhe in den Krankenzimmern war zu niedrig, die sanitären Verhältnisse entsprachen nicht mehr den verschärften gesundheitspolizeilichen Vorschriften. Der Kulturkampf verhinderte jedoch, dass die wohl noch zu Diepenbrocks Lebzeiten begonnenen Überlegungen, einen Neubau zu wagen, in ein konkretes Stadium traten. Im September 1886 sprach Kaplan Kitzero, der seit Diepenbrocks Tod (+ 1884) zusammen mit Vikar Schniers die Seelsorge in der Pfarrei St. Bonifatius versah, das Problem offen an. Er teilte dem Magistrat mit, dass „die entfernteren Vorbereitungen“ für einen Neubau des Krankenhauses bereits getroffen seien. Durch die Unsicherheit ihrer jetzigen Stellung in der Pfarrei habe sich die Inangriffnahme jedoch verzögert. Sobald die Stellung der Geistlichen in der Pfarrei geklärt sei, solle mit dem Bau begonnen werden .
Als im Sommer 1888 nach vierjähriger Vakanz endlich ein neuer Pfarrer für die St. Bonifatius-Kirche berufen werden konnte , war der Weg für einen Neubau frei. Anfang Februar 1889 reichte Pfarrer Pohlmann die von dem Lingener Maurermeister Gerhard Lühn entworfenen Pläne ein. Am 28. Mai 1889 wurde durch den Bezirksausschuss in Osnabrück, dem die Genehmigung oblag, die Erlaubnis für den Neubau des Krankenhauses erteilt.
Die Beratungen über den Bauantrag hatten sich mehrere Monate hingezogen. Einer der Gründe dafür waren die Einwände gegen die geplante Lage des Neubaus längs der Gymnasialstraße im Garten östlich vom bisherigen Krankenhaus. Der Magistrat der Stadt, die reformierte Kirchengemeinde, die evangelische Schulgemeinde und das Gymnasium Georgianum forderten in ihren Eingaben an den Regierungspräsidenten, dass der Neubau des Krankenhauses an anderer Stelle, am besten „außerhalb des engeren Stadtbezirks“ errichtet werden sollte. Superintendent Raydt befürchtete wegen der engen Nachbarschaft des Neubaus zum reformierten Gotteshaus, zumal wegen der geplanten Isolierabteilung für besonders ansteckende Krankheiten, eine Gefährdung für die Kirchenbesucher, ebenso für die Schuljugend und das Lehrpersonal der benachbarten evangelischen Bürgerschule und des Gymnasiums. Zudem brächten die nahe gelegenen Kinderbewahranstalten und Schulen sowie „die Kirche mit ihrem starken Geläut“ für die Kranken doch mancherlei Störungen mit sich .
Die Leitung des St. Bonifatius-Hospitals ließ sich jedoch auf keine Standortdiskussion ein. Sie war fest entschlossen, den Neubau wie geplant am Rande der Innenstadt zu errichten, notfalls auch gegen den Willen des Bezirksausschusses. Im April 1889 sprach der frühere Lingener Vikar Schniers, nunmehr Pfarrer in Haselünne, in einem Brief seinem Mitbruder Pfarrer Pohlmann Mut zu. Der Wunsch der Gegner, die diese „katholische Anstalt aus der Stadt verdrängen wollen“, werde sich nicht erfüllen .
Raydt wie die anderen Befürworter einer Verlagerung des Krankenhauses vor die Stadt befanden sich in vollem Einklang mit den damaligen lufthygienischen Forderungen an ein modernes Krankenhaus. Ungehindert durch die Wohnbebauung in der Nachbarschaft sollten Licht, Luft und Sonne in die Krankenzimmer gelangen, um die Heilung zu fördern und die gefürchtete „Luftinfektion“ zu bekämpfen . Auch scheint die Leitung des St. Bonifatius-Hospitals zeitweilig selbst einen Neubau vor der Stadt erwogen zu haben . Man täte Superintendent Raydt deshalb sicher Unrecht, wenn man hinter seinen Einwänden gegen den Standort des Neubaus vorwiegend konfessionspolitische Motive suchen würde, obgleich ihm wie allen Beteiligten natürlich klar gewesen sein musste, dass bei einem Neubau des Krankenhauses an der Gymnasialstraße für die reformierte Gemeinde kaum noch Ausdehnungsmöglichkeiten im Bereich ihrer Pfarrkirche gegeben waren.

Die Bauarbeiten für das neue Krankenhaus, mit denen im Spätsommer 1889 begonnen wurde, standen unter Leitung des Lingener Maurermeisters Gerhard Lühn und zogen sich über fast zwei Jahre hin . Am 22. Juli 1891 gab der Bezirksauschuss zu Osnabrück das bis auf Kleinigkeiten fertiggestellte Gebäude für die Benutzung frei. Eine Woche später, am 29. Juli, fand die offizielle Eröffnung und kirchliche Einweihung durch Pastor Pohlmann statt.
Das massive, zweigeschossige Gebäude war nach modernen Gesichtspunkten eingerichtet. Es besaß eine Zentralheizung und ein Wasserleitungssystem, an das die Waschbecken auf den Fluren und im Operationszimmer angeschlossen waren. Im Erdgeschoss befanden sich sieben Krankenzimmer für Männer, die Kapelle, die Küche und das Refektorium der Ordensschwestern, im Obergeschoss lagen die acht Krankenzimmer für die Frauen, das Schlafzimmer der Ordensschwestern, das Operationszimmer und die Wäschekammer. Geschmückt war der Neubau mit einer lebensgroßen St. Bonifatius-Figur des Osnabrücker Bildhauers Lukas Memken, der wie Pfarrer Pohlmann aus Hersum stammte .
Der Altbau wurde teilweise abgebrochen, Die stehen gebliebenen Räume beherbergten nun die Isolierabteilung mit drei Zimmern im Obergeschoss und je einen Raum für Krätze- und Cholerakranke .
Die Krankenhauskapelle, gegen deren Lage im Erdgeschoss an einem viel benutzten Gang es zunächst von Seiten des Bischofs Einwände gegeben hatte, erhielt erst gegen Ende des Jahrhunderts ihre vollständige Ausstattung. Der in der Werkstatt des Lingener Tischlermeisters Josef Berning gefertigte „Altar in frühgotischem Stil“ wurde am 4. Oktober 1899 mit einem Festgottesdienst zu Ehren des hl. Franziskus, des Patrons der Ordensschwestern, feierlich eingeweiht . Im Dezember 1899 genehmigte der Bischof die dauernde Aufbewahrung des Allerheiligsten in der Kapelle unter der Bedingung, dass wöchentlich eine hl. Messe dort gefeiert würde. Im Februar 1901 wurde die Erlaubnis erteilt an Sonn- und Feiertagen für die Schwestern und die Kranken ein Nachmittagsandacht vor dem Allerheiligsten zu halten. Noch im gleichen Jahr konnte dank mildtätiger Spenden für diese Andachten eine Monstranz bei einem Osnabrücker Goldschmied in Auftrag gegeben werden. Im August 1903 wurde der neue Kreuzweg der Krankenhauskapelle kanonisch errichtet und eingeweiht .
Als der Neubau des St. Bonifatius-Hospitals 1891 bezogen wurde, ging die Krankenhausleitung von einer möglichen Belegung des Hauses mit 40 bis 50 Kranken aus. Die genaue Zahl der Betten ist in den Akten nicht erwähnt. Der Revisionsbericht vom 30. Januar 1900 nennt 18 Krankenzimmer mit insgesamt 56 Betten. Damit scheint die Kapazität des Krankenhauses erschöpft gewesen sein, denn 1901 erwarb der Krankenhausvorstand das sog. Korves´sche Haus an der Ecke Gymnasialstraße / Kirchstraße (später Gymnasialstraße 4), um das Haupthaus von den „der eigentlichen Krankenpflege nicht bedürftigen Personen“ zu entlasten. Das neuangekaufte Haus, dessen Räume nicht in allem der Verordnung für Krankenhäuser vom 19. November 1895 entsprachen, war nach den Worten der Oberin Schwester Antonina nicht für bettlägerige Kranke bestimmt, sondern für sieche und altersschwache Patienten oder für Kranke mit leichten Verletzungen. Auch für den Knecht des Krankenhauses war ein Zimmer vorgesehen.
Die Umgestaltung des ehemals Korves´schen Hauses dürfte 1903 abgeschlossen gewesen sein. Das St. Bonifatius-Hospital bestand zu diesem Zeitpunkt aus vier Gebäuden: dem nicht abgerissenen Teil des Altbaus, der 1873 eröffnete Kinderbewahranstalt, auch ''Spielschule'' genannt, dem Neubau von 1889/91 und dem 1901 angekauften Haus an der Ecke Kirchstraße / Gymnasialstraße. Die Leitung der gesamten Institution oblag Dechant Hermann Scheiermann, seit 1900 Pfarrer an der St. Bonifatius-Kirche in Lingen. Besitzrechtlich waren die Verhältnisse jedoch weitaus weniger eindeutig.
Pastor Diepenbrock hatte das St. Bonifatius-Hospital als Privatkrankenhaus aus seinem Privatvermögen und den Spenden der Wohltäter errichtet. Später ging das Krankenhausvermögen im Wege der privatrechtlichen Nachfolge auf Kaplan Gerhard Kitzero und Vikar Johann Gerhard Schniers sowie den Gutsbesitzer Gerhard Heinrich Wess in Holthaus über, zum Teil auch nur auf die beiden Geistlichen. Weitere Grundstücke hatte Dechant Scheiermann auf seinem Namen für das Krankenhaus erworben. Beim Neubau von 1889/91 hatten die unklaren Besitzverhältnisse zu mehrfachen Nachfragen durch den Regierungspräsidenten geführt. Man hatte sich damals darauf verständigt, dass Pfarrer Pohlmann als Bevollmächtigter der Besitzer die Baumaßnahme durchführte und das Krankenhaus leitete.
In gleicher Rechtsstellung handelte zunächst auch Dechant Scheiermann, bis am 25. Oktober 1905 der Verein St. Bonifatius-Hospital in Lingen e.V. gegründet wurde. Zweck dieses Vereins war die Pflege von kranken und altersschwachen Personen ohne Unterschied der Konfession. Der Verein sollte „das in der Stadt Lingen belegene Krankenhaus Sanct Bonifatius-Hospital mit sämtlichem Zubehör und allen Grundstücken, die für die Zwecke dieses Krankenhauses erworben sind, von den als Eigentümern derselben im Grundbuche eingetragenen Personen“ übernehmen .
Die Gründungsmitglieder des Krankenhaus-Vereins waren vier Geistliche (die Pastoren Hermann Scheiermann in Lingen, Hubert Thien in Schepsdorf und Johann Gerhard Schniers in Haselünne sowie Kaplan Hanewinkel in Lingen), vier Lingener Bürger (Kaufmann Heinrich Wolbeck, Kaufmann Johannes Grote, Maurermeister Gerhard Lühn und Justizrat Wilhelm Niemann) sowie aus den zur Pfarrei St. Bonifatius gehörenden Landgemeinden die Hofbesitzer Hermann Böhmer in Laxten, Bernhard Alves in Brockhausen, Heinrich Keuter in Biene, Hermann Pott in Wachendorf, Bernhard Pollmann in Polle und Heinrich Wess in Holthausen . Den Vorstand des Vereins bildeten der jeweilige Pfarrer und Kaplan an der St. Bonifatius-Kirche und der Pfarrer in Schepsdorf, wenn sie Mitglieder des Vereins waren, und zwei weitere auf drei Jahre gewählte Vereinsmitglieder sowie auf Lebenszeit Pastor Schniers in Haselünne. Das Amt des Vereinsvorsitzenden oblag dem jeweiligen Pfarrer von St. Bonifatius, wenn er Mitglied des Vorstandes war .
Die Übertragung der verschiedenen Vermögensteile des Krankenhauses auf den Verein St. Bonifatius-Hospital und die Umschreibung im Grundbuch erfolgte im Laufe des Jahres 1909 . Sie wurde von Bürgermeister Meyer beim Regierungspräsidenten, dem die Genehmigung oblag, wärmstens empfohlen. Das Bonifatius-Hospital habe sich, so schrieb er, mit der Zeit zu einer für hiesige Verhältnisse großen und wohlausgestatteten Krankenanstalt entrichtet, welche hier sehr segensreich wirke und im öffentlichen Interesse unentbehrlich sei. Dank der unentgeltlichen Pflege durch die „barmherzigen Schwestern“ und der Spenden der Wohltäter gewähre die Anstalt kranken und alterschwachen Personen Pflege und Unterhalt zu außergewöhnlich niedrigen Sätzen. Der städtischen Polizei- und Armenverwaltung habe das Krankenhaus stets bereitwilligst und entgegenkommend in Bedarfsfällen Hilfe geleistet und Kosten gespart. Gänzlich unentbehrlich sei die Anstalt auch für die Unterbringung von Kranken mit ansteckenden Krankheiten – sowohl aus der Stadt Lingen selbst als auch aus dem weiteren Umkreise .
Anlass für die Vermögensübertragung war eine großzügige Erweiterung des Krankenhauses, die in zwei Bauabschnitten durchgeführt wurde. Die ersten Pläne legte Maurermeister Lühn im März 1907 vor. Zunächst wurde von Sommer 1908 bis Herbst 1909 ein Flügelanbau längs der Baccumer Straße errichtet. Da nach der Bauabnahme im Oktober 1909 vom Regierungspräsidenten verschiedene Änderungen und Ergänzungen verlangt wurden, zog sich die völlige Fertigstellung bis Anfang 1910 hin.
Es war nun die Aufstellung von ca. 90 Betten möglich. Neben zusätzlichen Krankenzimmern erhielt das St. Bonifatius Hospital bei dieser Erweiterung einen neuen Operationssaal und eine große Isolierabteilung für ansteckende Krankheiten. Auch wurde das Krankenhaus an die städtische Gas- und Wasserversorgung angeschlossen. Finanziert wurde die Baumaßnahme mit einem Hypotheken-Darlehen der Landesversicherungsanstalt Hannover in Höhe von 60.000 M.
Der Bauantrag für den zweiten Bauabschnitt wurde Anfang Juli 1911 eingereicht. Geplant war ein Flügelanbau von der Gymnasialstraße aus Richtung reformierte Kirche auf dem Grundstück Gymnasialstraße 10. Wegen der beengten Raumverhältnisse hatte der Regierungspräsident gegen die vorgelegten Pläne jedoch zahlreiche Einwände. Eine neue Situation ergab sich, als es dem Krankenhausverein gelang, von der Witwe Stallkamp das Nachbargrundstück Gymnasialstraße 8 zu erwerben. Nun stand genügend Raum zur Verfügung, um einen Anbau längs der Gymnasialstraße zu errichten. Die überarbeiteten Pläne wurden Anfang März 1912 genehmigt, Ende April 1913 war der Anbau fertiggestellt. Im Erdgeschoß befanden sich u.a. ein Röntgenzimmer und die neue Krankenhauskapelle, die an der Stelle des ursprünglich geplanten Flügelanbaus errichtet worden war. Die bisherige Kapelle wurde in ein Krankenzimmer umgewandelt. Im Dachgeschoss hatte man für die Ordenschwestern sieben Zimmer geschaffen. Für die Kranken standen nun 120 Betten zur Verfügung.

Die Finanzierung der Baumaßnahme erfolgte mittels eines Kredites der Städtischen Sparkasse in Höhe von 70.000 M. Beim Erwerb des Stallkampschen Hauses mussten 14.000 M aufgewendet werden, Gerhard Lühn erhielt für die Ausführung des Baus 52.000 M, die Inneneinrichtung, die vor allem von Lingener Firmen geliefert wurde, kostete ca. 19.000 M.
Die Beleuchtung der Krankenzimmer erfolgte Ende des 19. Jahrhunderts und wohl auch noch Jahre später durch Petroleumlampen; im Operationszimmer und auf den Fluren sorgten Gaslichter für die nötige Helligkeit. Anfang 1921 plante das Krankenhaus eine Umrüstung des Operationssaals auf elektrisches Licht, da wegen des zeiteilig zu niedrigen Gasdrucks die Durchführung von Operationen stark beeinträchtigt war. Den elektrischen Strom sollte die benachbarte Tischlerei Josef Berning liefern . Ein Jahr später beschlossen die Mitglieder des Vereins St. Bonifatius-Hospital den Anschluss des Krankenhauses an die „elektrische Kraftzentrale“ des Eisenbahn-Ausbesserungswerks. Die dafür erforderliche Leitung wollte die Stadt gegen eine geringe Leihgebühr zur Verfügung stellen .
Über die Notwendigkeit eines neuen Anbaus war man sich im „Kuratorium“, so der seit den 1920er Jahren übliche Name des Vereins St. Bonifatius-Hospital, im April 1929 einig. Maurermeister Gerhard Lühn wurde wie bei den früheren Baumaßnahmen beauftragt, einen Plan samt Kostenvoranschlag auszuarbeiten. In den folgenden Jahren ist von einem Erweiterungsbau allerdings zunächst nicht mehr die Rede. Es fehlte wohl das Geld dazu . 1932 erfuhr das sog. Korves´sche Haus (Gymnasialstraße 4), das seit ca. 1903 für Patienten mit leichteren Erkrankungen genutzt wurde, eine Nutzungsänderung. Es wurde von Mai bis November renoviert und umgebaut. In das Erdgeschoss zog die Gesundheitsfürsorgestelle des Kreises Lingen ein, das Obergeschoss diente fortan als Altersheim (St. Elisabeth-Stift) .
Wann der Gedanke an einen Erweiterungsbau wieder aufgegriffen wurde, ist in den Akten nicht überliefert. Die ersten Planentwürfe lagen im März 1934 vor . Der Baubeginn verzögerte sich jedoch bis Mitte 1935, denn erst nach längeren Bemühungen gelang es, für die Mieter der zum Abbruch vorgesehenen Häuser Ersatzwohnraum zu besorgen. Außerdem bereitete es große Schwierigkeiten, die finanziellen Mittel für den Bau zu beschaffen. Die Eigenmittel in Höhe von 25.000 RM und ein Darlehen der Kreisparkasse in Höhe von 75.000 RM reichten bei weitem nicht aus. Nach längeren Bemühungen gelang es aber doch noch, zusätzliche Geldquellen aufzutun, so dass es dem Kuratorium sogar möglich war, auf die erbetene Staatsbeihilfe zu verzichten.
Unterdessen wurde die Raumnot im Krankenhaus immer drängender. Der Arbeitsdienst, der 1934 begonnene Bau der Kasernen und die Verlegung von Reichswehreinheiten nach Lingen bewirkten, dass das St. Bonifatius-Hospital damals fast ständig überbelegt war . Im Rechnungsjahr 01.04.1934 – 31.03.1935 wurden 33.424 Pflegetage gezählt gegenüber 23.874 im Vorjahr . Mit drastischen Worten schilderte Dechant Hilling am 26. April 1935 in einem Schreiben an Bürgermeister Plesse die Situation im Krankenhaus, um ihn zur Mithilfe bei der Beschaffung von Ersatzwohnraum zu bewegen:
„Nur wer den letzten Winter hier im Hospital mitgemacht hat, kann die katastrophale Raumnot und Raumbeengung ermessen. Es ist wiederholt vorgekommen, daß Kranke infolge der Überfüllung auf Sofas und Chaiselongues gebettet werden mußten.
Des öfteren mußten des Nachts Leichtkranke aus ihren Betten aufstehen und die Nacht auf Sofas und Liegestühlen zubringen, um Schwerkranken Platz zu schaffen. Andere Kranke mußten oft tage-, ja wochenlang zu Hause bleiben, da im Krankenhaus kein Platz war. Dabei trifft dieser auf die Dauer unhaltbare Zustand insbesondere die Kranken der 3. Pflegeklasse, also die Arbeiter und Minderbemittelten .“
Mit der Planung und Durchführung der Baumaßnahme wurde Dombaumeister W. Sunder-Plassmann in Münster betraut. Am Beginn der Arbeiten ab Anfang Juli 1935 stand die Verlegung des Leichenhauses in ein Haus an der Kirchstraße zwischen dem Turm der Reformierten Kirche und der Gaststätte Voshaar. Nach dem Umbau befanden sich in diesem Haus ein „Beerdigungs-, Leichen- und Obduktionsraum“. Am Platz des alten Leichenhauses wurde das Krankenhaus in der Baccumer Straße durch einen Anbau verlängert. Dieser enthielt im Erdgeschoss die Isolierabteilung, im Obergeschoss eine Abteilung für Lungenkranke und im Dachgeschoss eine Entbindungsabteilung. Die Operationsabteilung, auf zwei OP-Zimmer erweitert, wurde an der Gymnasialstraße im Südostende des Gebäudes im 1. Stock eingerichtet (über der Röntgenabteilung, die ebenfalls von der Baccumer Straße an das Südostende verlegt wurde). Durch die Konzentration dieser und anderer Funktionsräume im Gebäudeteil an der Gymnasialstraße erreichte man, dass fast alle Krankenzimmer zum ruhigen Innenhof lagen und vom wachsenden Verkehrslärm auf den Straßen verschont blieben. Eine weitere Neuerung war die Einrichtung einer medizinischen Badeabteilung im Keller und die Umstellung des Systems der Zentralheizung. Da der Neubau eine Warmwasser-Zentralheizung erhielt, wurde auch im gesamten übrigen Gebäude die Heizungsanlage erneuert und statt der vorhandenen Niederdruck-Dampfheizung ebenfalls eine Warmwasserheizung eingebaut .

Die Neuschaffungen im Lingener Krankenhause

ein Zeitungsartikel aus: Neue Volksblätter vom 12.12.1936

In den letzten Monaten wurden im Lingener Krankenhause umfangreiche Verbesserungen vorgenommen. Schon lange genügten die vorhandenen Zimmer nicht mehr, um zu jeder Zeit alle Kranken gut unterbringen zu können. So entschloß man sich zu einem großen Anbau, der schon vor längerer Zeit fertiggestellt wurde. Mit diesem Anbau wurde die Möglichkeit geschaffen, ungefähr 50 Betten mehr aufstellen zu können. Heute können im Bonifatius-Hospital 150 Kranke zu einer Zeit untergebracht werden. Der Neubau an der Schulstraße enthält unten die Isolierstation. Die obere Etage dieses Anbaues enthält einen allen Anforderungen der Neuzeit gerecht werdenden Entbindungssaal. Neben dem eigentlichen Zimmer liegt eine geräumige Badegelegenheit und auf der anderen Seite das Kinderzimmer. Die Zimmer liegen alle nach der Gartenseite, sodaß vollkommene Ruhe gewährleistet ist. Im rechten Flügel wurden an der Gymnasialstraße zwei Operationszimmer eingerichtet. Sie wurden mit den modernsten Einrichtungen versehen. So hängt unter anderem in dem Operationssaal eine wärmefreie Lampe. In einem Zimmer daneben steht ein neuzeitlicher Sterelisierapparat, in dem die zu einer Operation benötigten Instrumente und Bedarfsgegenstände vollständig keimfrei gemacht werden. – Der Aufbau auf dem Flügel zum Gymnasium hin, brachte 15 neue Krankenzimmer. Ein wesentlicher Umbau wurde auch am Haupteingang vorgenommen. Unter diesem wurde ein neuer Eingang in das Kellergeschoß geschaffen. Durch diesen können in Zukunft von der Straße her, Kranke, die nicht gehen können, direkt in den elektrischen Aufzug gebracht werden. In jeder Etage wurde eine kleine Küche eingerichtet, daneben wurden in jedem Stockwerk neue Baderäume und Toilettenräume geschaffen. In den Zimmern zur linken Hand des Haupteinganges wurde die umfangreiche Röntgeneinrichtung untergebracht, zu der auch die Bestrahlungsgeräte für die verschiedenen Krankheiten gehören. Neu geschaffen wurde auch das Büro und die Pförtnerstation. – Jede Etage erhielt ihr eigenes Wartezimmer. - Mit dem Umbau wurde auch im ganzen Hause die Heizung neu gelegt. In der Nähe der Heizung liegen die Badegelegenheiten. Hier werden neben Reinigungs- und Brausebädern alle medizinischen Bäder verabfolgt. Mit der Einrichtung einer neuen Licht-Alarmeinrichtung ist das die Kranken immer wieder störende Klingeln im ganzen Hause in Fortfall genommen. Eine weitere Annehmlichkeit wurde für die Kranken dadurch geschaffen, daß im ganzen Hause elektrische Uhren angebracht wurden. – Die Küche des Krankenhauses erhält in den nächsten Tagen einen neuen großen elektrischen Herd.
Wenn nun die letzten Arbeiten vollendet sind, wird das Lingener Bonifatius-Hospital seinen Insassen alle die Annehmlichkeiten bieten können, die sie in Krankheitstagen beanspruchen.

Die Erweiterung und Modernisierung des Krankenhauses waren bis Ende 1936 weitgehend abgeschlossen. Während Dechant Hilling im Dezember 1934 die Kapazität des Hauses mit „100 – 120 Betten“ angegeben hatte, konnten nun im St. Bonifatius-Hospital 150 Kranke untergebracht werden .

Bei allen Baumaßnahmen seit 1890/91 hatte die Isolierabteilung für die Patienten mit ansteckenden Krankheiten eine besondere Rolle gespielt. Meist war sie ein wichtiger Grund für die Erweiterung gewesen, oder aber verlangten die Aufsichtsbehörden gravierende bauliche Veränderungen, damit den seuchenpolizeilichen Vorschriften in allen Punkten Rechnung getragen wurde.
Durch den Erweiterungsbau von 1935/36 war die Isolierabteilung ganz nahe an die „Spielschule“ herangerückt. Der Hofraum, in dem der Kindergarten lag, wurde auch von den Kranken benutzt. Als es in den Gemeinden um Lingen plötzlich zu einem gehäuften Auftreten von Scharlach- und Diphtherieerkrankungen kam, nahm dies die Leitung des Krankenhauses zum Anlass, den Kindergarten im September 1937 in das Haus Burgstraße 21a zu verlegen und die Räume der „Spielschule“ in der Baccumer Straße der Isolierabteilung zur Verfügung zu stellen. Dies fiel dem Kuratorium umso leichter, da der Regierungspräsident eine umfassende Renovierung der von den Kindern benutzten Räume angemahnt hatte .
Durch dieses zusätzlich vom Krankenhaus genutzte Gebäude und die Mobilisierung weiterer Reserven gelang es, während des 2. Weltkriegs die Zahl der Betten auf ca. 200 zu steigern. Im August 1943 standen 157 Betten für Zivilkranke und 50 Betten für Militärangehörige zur Verfügung .
Bei der Besetzung Lingens durch die englischen Truppen Anfang April 1945 erhielt das Krankenhaus etwa 20 Granattreffer. Fast das gesamte Dachgeschoss im Flügel an der Baccumer Straße und verschiedene Zimmer in der Privatstation im Obergeschoss wurden zerstört. Obwohl die schwersten Schäden mit Hilfe der Lingener Handwerksbetriebe und dank des Einsatzes von Arbeitern aus dem Eisenbahn-Ausbesserungswerk bald beseitigt waren , herrschte großer Bettenmangel. Wohl um der Gefahr von Seuchen zu begegnen, befahl der englische Stadtkommandant der Krankenhausverwaltung im Juni 1945, im ehemaligen Kolpinghaus (Baccumer Straße 7) innerhalb von sechs Wochen eine Abteilung für ansteckende Krankheiten einzurichten und diese pflegerisch und verwaltungsmäßig dem St. Bonifatius-Hospital anzugliedern . Die früher zur Isolierabteilung umgebaute ehemalige „Spielschule“ diente in den ersten Nachkriegsjahren als Notaufnahmeabteilung für Heimkehrer und alte Leute .
Das Kolpinghaus an der Baccumer Straße war 1939 unter den Nationalsozialisten beschlagnahmt worden und hatte während des 2. Weltkriegs als Sitz der Lazarettverwaltung gedient. Die Kolpingfamilie erreichte nach langwierigen Verhandlungen mit dem Staat, dass ihre Besitzrechte an ihrem alten Vereinshaus grundbuchmäßig wieder eingetragen wurden, sie kehrte jedoch nicht mehr nach hier zurück. Mit Unterstützung des Krankenhauses hatte sie sich 1948 im ehemaligen Hotel Heeger in der Burgstraße ein neues Vereinshaus geschaffen. Das alte Kolpinghaus ging 1954 durch Verkauf in den Besitz des St. Bonifatius-Hospitals über .
Die ehemalige „Spielschule“ hatte bereits 1937 bei der Umwandlung in eine Isolierstation erhebliche Mängel aufgewiesen. Als in der ersten Nachkriegszeit wegen der starken Bevölkerungszunahme in Stadt und Kreis Lingen erneut eine Erweiterung des St. Bonifatius-Hospitals anstand, wurde das baufällige Gebäude abgerissen und das Krankenhaus 1951/52 bis zur westlichen Grundstücksgrenze durch einen Anbau verlängert. Das Anfang September 1952 bezugsfertige Gebäude enthielt eine Personalkantine (Kellergeschos) und Zimmer für das Pflegepersonal (Dachgeschoss) sowie Krankenzimmer (Erdgeschoss) und eine Geburts- und Säuglingsstation (Obergeschoss). Im Gegensatz zu allen bisherigen Erweiterungen wurde die Außenfassade nicht mit gelben Klinkersteinen gestaltet, sondern mit einem weißen Mörtelputz versehen. Die Kosten der Erweiterungsmaßnahme beliefen sich auf insgesamt 417.510 DM; neben den Eigenmitteln standen ein Landeszuschuss von 140.000 DM und ein Darlehen der Kreissparkasse von 150.000 DM zur Verfügung.
Die „Lingener Tagespost“ bezeichnete den Neubau kurz vor seiner Vollendung als „richtungweisend für die weitere Gesamtgestaltung des Hospitals“ . Dr. Adams, der leitende Arzt des Krankenhauses, urteilte später rückblickend nüchterner. Wegen der schwierigen finanziellen Situation habe der Bau durchaus nicht in allen Teilen die Wünsche der Krankenhausleitung erfüllt. Stadt und Kreis hätten keinerlei Zuschüsse gegeben und die geringen Zuschüsse des Landes hätten sich „nach der Zahl der neu geschaffenen Betten und nicht nach der sonstigen Ausgestaltung“ gerichtet, „sodass man in den vorhandenen Räumen eine möglichst große Zahl von Betten zur Erlangung entsprechender Zuschüsse“ habe aufstellen müssen .
Durch den Anbau im Bereich der ehemaligen „Spielschule“ waren die Raumprobleme des Krankenhauses spürbar verringert, jedoch nicht grundsätzlich gelöst. Sollte das St. Bonifatius-Hospital „räumlich und technisch, ärztlich und pflegerisch den Anforderungen eines modernen Krankenhauses“ entsprechen und sollte außerdem sichergestellt sein, dass „auch der sozial schlechter gestellten Bevölkerung aus Stadt und Kreis Lingen fachärztliche Hilfe und Betreuung zuteil werden (konnte), ohne dass sie weite Fahrten und kostspielige Reisen machen“ musste , dann war eine großzügige Erweiterung auf 400 Betten unumgänglich.
Da die Ausdehnungsmöglichkeiten im Bereich zwischen Kirchstraße und Baccumer Straße weitgehend erschöpft waren, stellte sich für die Verantwortlichen erneut - wie vor der ersten Erweiterung 1890/91 – die grundsätzliche Frage eines völligen Neubaus in ruhiger Lage am Stadtrand. Geschäftsführer Franz Lindhaus wie auch der leitende Arzt Dr. Adams hatten schon 1938/1939 Überlegungen in dieser Richtung angestellt. Doch die Folgen des 2. Weltkriegs und „die schlechte Finanzlage von Stadt, Kreis und Land Niedersachsen ließen dieses Vorhaben utopisch erscheinen“ . Die Kosten für ein vollkommen neues Krankenhaus wurden auf 12 bis 13 Millionen Mark geschätzt, während ein großzügiger Neubau in direkter Anlehnung an das vorhandene Krankenhaus auf etwa 4 1/2 Millionen veranschlagt wurde .
Nach längeren Beratungen entschied sich das Kuratorium aus finanziellen Erwägungen für die kostengünstigere Lösung, wobei man sich bewusst war, dass für den Erwerb der benötigten Flächen nördlich der Baccumer Straße und die Beschaffung von Ersatzwohnungen (für über 30 Familien) langwierige und nicht immer einfache Verhandlungen nötig sein würden. Doch mit dem Ankauf der entscheidenden Grundstücke von den Erben Stöve war 1953 der Durchbruch geschafft . In achtjähriger Bauzeit entstanden ab 1955 auf dem Gelände zwischen Baccumer Straße und Wilhelmstraße eine neue Hauptküche mit Straßentunnel zum Altbau, zwei Bettenflügel mit 218 Betten und ein Behandlungstrakt, eine neue Heizzentrale und Wäscherei sowie ein Schwesternwohnheim (60 Plätze) mit Krankenpflegeschule. Das alte Kolpinghaus, das alte Gymnasium Georgianum und mehrere Wohnhäuser mussten abgerissen werden .

Chronik des Erweiterungsbaus 1955-1962

Bauabschnitt Bauzeit Gesamtkosten Bau u. Einrichtung
I. Hauptküche u. Straßentunnel zum Altbau 1955/56 300 000 DM
II. u. III. Verbindungsgang,östl. u. westl. Bettenflügel,Behandlungstrakt 1956-59 3 209 000 DM
IV. Heizzentrale u. Wäscherei für Alt- u. Neubau 1957-59 676 000 DM
V. Altbaumodernisierung 1960-62 900 000 DM
VI. Schwesternwohnheim u. Krankenpflegeschule 1960-61 699 000 DM

 

Zusammen mit der abschließenden Modernisierung des Altbaus (Reduzierung auf 170 Betten) beliefen sich die Kosten der gesamten Baumaßnahme auf ca. 5,8 Millionen DM. Das Land Niedersachsen beteiligte sich mit einem verlorenen Zuschuss von etwa 25 %; zinslose Darlehen kamen aus dem Emslandplan (10%), aus öffentlichen Wohnungsbaumitteln des Landes und von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung (5 %). Die restlichen 60 % der Gesamtkosten mussten vom Kuratorium als Bankdarlehen zum üblichen Zinssatz aufgenommen werden, wobei neben dem Land auch Stadt und Kreis Lingen zu einer Verringerung der Zinslasten einen spürbaren Beitrag leisteten .
Nach den Worten des planenden Architekten Dipl. Ing. Ernst Kreytenberg, Hannover, wurde aus der ursprünglich beabsichtigten Erweiterung des alten St. Bonifatius-Hospitals ein im Kern völlig neues Krankenhaus, dem das alte Haus nur angegliedert war .
Auf einen anderen Aspekt machte der „Lingener Volksbote“ Anfang September 1958 aufmerksam, als die Fertigstellung des 2. und 3. Bauabschnitts absehbar war. Er bezeichnete das St. Bonifatius-Hospital als „Krankenhausinsel“. Die Gesamtanlage stelle nicht nur eine geschlossene Einheit dar, sie liege nach entsprechenden gärtnerischen Arbeiten wie eine „Insel im Grünen“ mitten in der Stadt . Der damals zugesprochene Inselcharakter hat sich in den folgenden Jahrzehnten noch verstärkt. Ein Teil der Grünflächen musste erneuten Ausbaumaßnahmen weichen. Weitere Grundstücke wurden erworben und konnten in die Gesamtanlage einbezogen werden. Die „Insel“ bot Raum für die Entwicklung des St. Bonifatius-Hospitals zu einem modernen Krankenhaus und zum größten Arbeitgeber in der Stadt Lingen – trotz der periodisch immer wieder aufbrechenden Standortdiskussion .

Nach den Statuten des Krankenhauses und des Krankenhaus-Vereins hatte das St. Bonifatius-Hospital als vorrangigen Zweck „die Pflege von kranken und alterschwachen Personen ohne Unterschied der Konfession“ . Es war somit als Krankenhaus und Altersheim gedacht, und bis weit ins 20. Jahrhundert hatte es diese beiden Funktionen auch. Es fanden dort nicht nur Patienten vorübergehende Aufnahme, sondern auch ältere Männer und Frauen auf Dauer, um hier ihren Lebensabend zu verbringen. Zeitweilig waren es fünfzehn und mehr Menschen, die als „Hospitaliten“, Pfründner oder Sieche der Hausgemeinschaft des Krankenhauses angehörten . In einen solchen Versorgungsplatz im Krankenhaus konnte man sich durch einmalige Einzahlung eines größeren Betrags oder durch das Abtreten der monatlichen Rente einkaufen. So übergab die Witwe Beckmann aus Lingen im Februar 1895 all ihre Möbel, die sie mit ins Krankenhaus genommen hatte, und 3.000 Mark in bar an Pastor Pohlmann, wofür ihr von diesem vertraglich zugesichert wurde, dass sie auf Lebenszeit „in gesunden und kranken Tagen“ im St. Bonifatius-Hospital zu Lingen unterhalten und verpflegt werde . Im Jahre 1911 beschloss der Vorstand, die Witwe Otten gegen eine einmalige Einzahlung von 1.500 Mark in das Krankenhaus aufzunehmen, wogegen diese sich verpflichtete, dort häusliche Arbeiten zu verrichten . In den Jahren nach dem 1. Weltkrieg scheinen einige ältere Männer und Frauen aus Lingen auch unter Mitwirkung des Städtischen Wohlfahrtsamtes im Krankenhaus Aufnahme gefunden zu haben. Der 1932 erfolgte Ausbau des Hauses Gymnasialstraße 4 zu einem Altersheim (Elisabethenstift), das dem St. Bonifatius-Hospital angegliedert war, wurde bereits erwähnt.
Bei den meisten Pfründnern des Krankenhauses handelte es sich um Witwen oder ältere alleinstehende Dienstmägde oder –knechte. In den Lingener Adressbüchern und im Einwohnermelderegister werden sie als Rentner, Invaliden oder „ohne Beruf“ geführt. Sie stammen fast alle aus Lingen oder den umliegenden Landgemeinden. Soweit feststellbar waren sie durchweg katholisch . Eine Ausnahme bilden Emanuel Friedland, Lina Benjamin und Henriette Flatow, die jüdischen Glaubens waren. Emanuel Friedland (+ 18. Februar 1933) diente dem Krankenhaus mehrere Jahre als Bote . Die fast achtzigjährige Lina Benjamin wurde im August 1922 nach dem Tode ihres Bruders ins Krankenhaus aufgenommen, wo sie am 1. August 1927 starb . Die alleinstehende Henriette Flatow (*18. Januar 1866) lebte seit ca. 1929 im Krankenhaus; sie wurde Ende Juli 1942 von der Gestapo in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert, wo sie den dort herrschenden unmenschlichen Lebensbedingungen am 20. Januar 1943 zum Opfer fiel .
Nach dem 2. Weltkrieg lebten kaum noch Pfründner(innen) im St. Bonifatius-Hospital. Das Lingener Adressbuch von 1950/51 nennt nur Anna Osseforth, eine frühere Bedienstete, als Rentnerin im Krankenhaus . Es fehlte in der Not der ersten Nachkriegsjahre wohl an geeigneten Räumen; außerdem zeichnete sich eine andere Lösung des Problems ab. 1946 entstand in Lingen ein Altersheim, in dem ältere Menschen Unterkunft und Betreuung fanden . Das St. Bonifatius-Hospital konnte sich auf die Krankenpflege und die Herausforderungen durch die medizinische Entwicklung konzentrieren.
Die Pflege der Kranken aus Lingen und den umliegenden Landgemeinden war nach der Intention des Stifters die eigentliche Aufgabe der an das Krankenhaus gerufenen Ordensschwestern. Auch nach Errichtung des Neubaus von 1891 galt die Fürsorge der Schwestern nicht nur den in das Krankenhaus aufgenommenen Patienten, sondern bis weit ins 20. Jahrhundert auch den zu Hause bei ihren Familien verbliebenen Kranken. Für die ambulante Krankenpflege, die kostenlos war, waren stets ein bis zwei Schwestern abgestellt . Durch den stetigen Ausbau des Krankenhauses hatte die häusliche Krankenpflege der Schwestern im 20. Jahrhundert allerdings nicht mehr die gleiche Bedeutung wie im Jahrhundert zuvor. Die Pflegeeinsätze der Schwestern nahmen – soweit dies die überlieferten Daten erkennen lassen - nicht im gleichen Ausmaß zu wie die Einwohnerzahlen der Stadt Lingen. Eine Ausnahme bildete das Jahr 1923, in dem es wegen der schlechten Ernährungs- und Wohnungsverhältnisse der ärmeren Bevölkerungsschichten in ganz Deutschland zu einer epidemieartigen Verbreitung von Erkrankungen an Grippe, Masern und Röteln kam .

Jahr Kranke Tagesbesuche Nachtwachen Einwohner der Stadt Lingen
1888 64 551 191 6.304 (1890)
1909 100 704 405 8.021 (1910)
1923 125 1.125 369 10.609 (1924)
1929 93 837 248 11.125 (1930)

Tab.: Einsatzzahlen der ambulanten Krankenpflege des St. Bonifatius-Hospitals (1888-1929)

In den Jahren nach dem 1. Weltkrieg war außerdem eine Schwester in der ambulanten Tuberkulosefürsorge eingesetzt. Im Jahr 1929 wurden von ihr 43 Tuberkulosekranke betreut, und 16 Familien, in denen es wegen Tbc einen Todesfall gegeben hatte, beobachtet. Bei jedem Kranken und jeder Familie machte sie durchschnittlich pro Woche einen Besuch .
Ein weiteres Tätigkeitsfeld der Ordensschwestern war lange Zeit der dem Krankenhaus angegliederte Kindergarten der St. Bonifatius-Pfarrei, in den älteren Unterlagen häufig auch „Spielschule“ oder Kinder-Bewahranstalt genannt. Die Anfange dieser Einrichtung gehen ebenfalls auf Dechant Diepenbrock zurück, der 1873 ein ehemaliges Schulhaus an der Baccumer Straße erwarb und darin mit Hilfe der Schwestern eine „Kleinkinderschule“ einrichtete . Im gleichen Jahr war auch ein evangelischer „Volkskindergarten“ eröffnet worden . Die Leitung des katholischen Kindergartens lag von der Gründung bis 1928 in den Händen der Schwestern; die meist von ein bis zwei weltlichen Helferinnen unterstützt wurden. Im Kulturkampf musste die erste Leiterin, Schwester Nikolaua, aufgrund des Gesetzes vom 31. Mai 1875 ihre Arbeit mit dem 1. April 1877 einstellen, da den Ordensschwestern nur die Krankenpflege gestattet war. Sie erhielt jedoch, befürwortet durch den Lingener Bürgermeister W. von Beesten, am 30. November 1881 von der Regierung die Erlaubnis, wieder in die Leitung des Kindergartens zurückzukehren. Zwischenzeitlich hatten verschiedene Lingener Frauen die Betreuung der Kinder übernommen . Nachfolgerin von Schwester Nikolaua war seit 1901 Schwester Wilhelmine, die ebenfalls knapp 30 Jahre die „Spielschule“ leitete. Im Dezember 1928, wenige Monate vor dem Tod von Schwester Wilhelmine, wurde der Kindergarten geschlossen , konnte jedoch im Mai 1930 nach Übernahme der Trägerschaft durch die St. Bonifatius-Pfarrei wieder eröffnet werden. Neue Leiterin wurde eine weltliche Fachkraft, die ausgebildete Kindergärtnerin Cäcilia Theisen .
Der Kindergarten war vormittags und nachmittags mehrere Stunden geöffnet. Bis zum 1. Weltkrieg erhielten bedürftige Kinder ein Mittagessen. Die Zahl der betreuten Kinder schwankte zwischen 70 und 130. Nach der Schließung des evangelischen Kindergartens im Jahre 1905 besuchten vermehrt auch evangelische und jüdische Kinder die „Spielschule“ . Im September 1937 wurde der Kindergarten, wie bereits erwähnt, in das Haus Burgstraße 21a neben der St. Bonifatius-Kirche verlegt.

60 Jahre Spielschule Lingen

Zeitungsartikel (gekürzt) aus: Lingener Volksbote 14.11.1933

In diesem Jahr kann die hiesige Spielschule auf ein 60jähriges Bestehen zurückblicken. Wohl jeder weiß, was diese segensreiche Einrichtung ihm, seinen Kindern oder Kindeskindern in den ersten Jahren der Kindheit bedeutet hat und in vielen, die nunmehr diese Zeilen lesen, wird die Erinnerung an eine frohe Kinderzeit wach werden.
So laßt uns denn heute einmal Rückschau halten und hören, was das schlichte Haus in der Schulstraße zu berichten weiß. Ein emsiges Leben und Treiben begann, als im Jahre 1873‘ der Dechant Diepenbrock das Haus, das zuvor Knabenschule und Lehrerwohnung war, kaufte und den Schwestern des Krankenhauses zur Einrichtung einer Kinderbewahrschule übergab. Es sollte vor allem den Kindern, deren Mütter einer außerhäuslichen Beschäftigung nachgehen mußten, zugute kommen.
Mit großer Liebe und opfervoller Hingabe übernahm Schwester Nikola als erste die Leitung und wirkte hier nahezu 30 Jahre lang. Restlos setzte sie sich für die ihr anvertrauten Kinder ein, sie nicht nur vor den Gefahren der Straße bewahrend, sondern auch für ihr körperliches Wohl sorgend, den sie speiste eine ganze Reihe Kinder, die wegen der weiten Wege über Mittag nicht nach Hause gehen konnten, da die Einrichtung vor- und nachmittags geöffnet war.
Ihr stilles Wirken fand Beachtung und Anerkennung. Als nach einem Wohltätigkeitsbasar die Zuwendungen nicht so groß waren, wie man erwartet hatte, entschlossen sich zwei hiesige Bürgerinnen im Jahre 1888 selbst für die Einrichtung zu sammeln.
Der Erfolg war recht erfreulich und als sie den Erlös der Schwester überreichten, konnte diese die Spendenfreundlichkeit der Bürger in Gaben für die Kleinen zum Nikolausfest umsetzen.
Und einmal begonnen, setzten die sel. Frau Ww. Berning und Frau Ww. Rollmann diese Sammlung Jahr für Jahr fort, so daß sie bis auf das Jahr 1933 zur Tradition geworden ist.
Wieviele mögen wohl in diesen 45 Jahren klopfenden, aber frohen Herzens die Gabe von St. Nikolaus in Empfang genommen haben, der Jahr für Jahr die Spielschule besucht, begleitet von Knecht Ruprecht, der schwerbeladen die Sachen hinter St. Nikolaus herträgt und alle die Ermahnungen des hl. Mannes durch Nicken und manchmal auch durch Drohen mit der Rute bestätigt.
Auch sonst standen die beiden genannten Wohltäterinnen der Schwester stets ratend und helfend zur Seite und wer Frau Rollmann einmal davon erzählen hörte, der weiß, mit welcher Liebe und mit welch großem Eifer sie sich dieser helfenden Aufgabe widmete.
Bis 1901 wirkte Schwester Nikola überaus segensreich, in den letzten Jahren von Schwester Wilhelmine unterstützt, deren Name wohl einen ebenso guten Klang hau, denn nach dem Tode der Schwester Nikola übernahm sie die Leitung der Spielschule.
Wer kennt nicht Schwester Wilhelmine, deren mütterliches Herz nicht nur das Vertrauen der Kleinen und Kleinsten gewann, dem auch viele Erwachsene sich um Rat und Hilfe zuwandten.
Trotz der schweren Jahre der Kriegs- und Nachkriegszeit hielt sie unermüdlich durch und stand inmitten einer Kinderschar, die die Zahl 100 oft weit überschritt, fest und unermüdlich und die ihrer Obhut anvertrauten Kinder werden wohl wenig von den Stürmen gemerkt haben, die im Lande tobten.
Trotz des schweren Leiden, des sich immer mehr verschlimmerte verließ sie ihre Arbeit nicht und wenn sie sich oft so mühsam vom Krankenhaus bis zur Spielschule schleppen mußte, sie wollte wenigstens inmitten ihrer Kinder weilen. Dank der treuen Mitarbeit ihrer Helferin hielt sie die Spielschule noch bis kurz vor ihrem Tode aufrecht. Erst wenige Wochen eh‘ der Tod ihrem rastlosen Schaffen ein Ende setzte, mußte sie im Dezember 1928 geschlossen werden.
Im Februar 1929 schloß Schwester Wilhelmine ihre Augen für immer, nachdem sie ebenfalls nahezu 3 Jahrzehnte ihre ganze Kraft für die Kinder eingesetzt hatte.
Trotz des überaus strengen Winters, in den ihr Todestag fiel, standen viele ihrer Zöglinge, ältere und jüngere, trauernd an ihrer Bahre, um ihr das letzte Geleit zu geben.
Nahezu 5 Monate, bis zum Mai 1929, war die Spielschule verwaist.
Der Bevölkerung war die Einrichtung aber unentbehrlich geworden. Aus vieles Drängen hin bemühte sich Herr Pfarrer Hilling um eine neue Kraft, da laut Verfügung der Regierung nur noch ausgebildete Fachkräfte die Leitung von Kindergärten übernehmen sollten, die Schwestern aber eine solche nicht zur Verfügung hatten. so kam zum ersten Mal eine weltliche Kraft als Leiterin hierher.
An diese mußte man sich zuerst gewöhnen. Den Kindern fiel es nicht sehr schwer, da viele neu hinzukamen und sie sich nicht umzustellen brauchten. Und die anderen fanden sich auch schnell damit ab, denn im Grunde lief ja alles so weiter wie bisher, sie suchten nach Spielkameraden, nach Raum und Material zur Entfaltung ihrer Kräfte und das fanden sie hier.
Im Herzen lebte aber die Erinnerung an Schwester Wilhelmine weiter und lohte besonders dann immer wieder auf, wenn ein besonderer Gedenktag gekommen war.
So am Namenstag, an Allerseelen oder am Todestag der Verstorbenen.
Dann wanderte die Schar der kleinen heraus zum Friedhof, um auf des Grab einen Kranz niederzulegen, eine Blume einzupflanzen oder eine Kerze anzuzünden und dort die Gebete und Bitten dem himmlischen Vater zu sagen. –
Dank der Mithilfe von Stadt, Kreis und Regierung konnten in den letzten Jahren einige Verbesserungen an der Einrichtung vorgenommen werden.
So wurde 1930 in allen Räumen elektrisches Licht angelegt, 1931 der Fußboden des Spielraumes, der bislang nur mit Terrazzo belegt und im Winter außerordentlich kalt war, mit einem Holzfußboden überdeckt, 1932 wurde der Spielhof neu gepflastert und ein neuer Windfang angebaut. [...]

Die Pflege der ins Krankenhaus aufgenommenen Patienten hatte Dechant Diepenbrock Ordensschwestern aus dem Franziskanerinnenkloster St. Mauritz in Münster anvertraut. Bis zum Neubau von 1890/91 war deren Zahl auf 6 gestiegen. Die späteren Erweiterungsmaßnahmen waren bis zum Ende des 2. Weltkriegs stets begleitet von einer Zunahme der Ordensschwestern. Der Höchststand wurde 1946/47 erreicht, als 37 Ordensschwestern im Krankenhaus tätig waren . Die Schwestern waren - soweit es sich feststellen lässt – alle in Krankenpflege ausgebildet. Darin fühlten sie sich kompetent und zuständig. Als sich 1915 für das St. Bonifatius-Hospital die Frage nach der Aufnahme von Frauen bei schwierigen Geburten stellte, sah die Oberin in Übereinstimmung mit dem Mutterhaus in Münster kein Problem darin, im Bedarfsfall ein Krankenzimmer und die übliche Verpflegung zu stellen. Sie betonte jedoch, dass die Schwestern keine Geburtshilfe leisten könnten; dafür seien sie nicht ausgebildet, außerdem widerspreche dies den Ordensregeln .
Dass einzelne Schwestern durchaus über eine spezielle Ausbildung verfügten, zeigt eine Aufstellung vom Sommer 1935. Von den insgesamt 21 Schwestern war eine als Operationsschwester, eine andere als Röntgenschwester eingesetzt .

Einsatzplan der Ordensschwestern im St. Bonifatius-Hospital (August 1935)

  • Oberin 1
  • „Herrenpflege“ 4
  • „Damenpflege“ 6
  • Isolierstation 2
  • Operationsschwester 1
  • Röntgenschwester 1
  • Elisabethenstift (Altenheim) 1
  • Ambulante Pflege 1
  • Pfortenschwester 1
  • Kapellenschwester 1
  • Küche 1
  • Gartenschwester 1

Über die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Schwestern während des hier behandelten Zeitraums ist nur wenig überliefert. Die Schwestern wohnten bis zur Erbauung eines eigenen Schwesternwohnheims (1967/69) im Krankenhaus. Im Jahre 1910 standen für die 12 Schwestern vier Schlafzimmer und ein Tagesraum zur Verfügung. Es galt damals folgende Tageseinteilung: Aufstehen 4 1/2 Uhr, Nachtruhe 9 Uhr, Mittagspause 12 ¼ - 2 Uhr; Abendpause 7 – 8 Uhr, dazu Frühstücks- und Vesperpause. Hinzu kamen für einzelne Schwestern Nachtwachen innerhalb und außerhalb des Hauses. Vor dem 1. Weltkrieg waren jährlich acht Tage Urlaub vorgesehen, damit die Schwestern in dieser Zeit an den im Orden üblichen Exerzitien teilnehmen konnten . 1943 betrug der Urlaub 14 Tage .
Die Ordensschwestern waren unterschiedlich lange am St. Bonifatius-Hospital tätig. Manche blieben nur drei bis sechs Jahre in Lingen, die meisten jedoch länger, je nach dem wie es das Mutterhaus in Münster entschied. Einige wirkten hier mehr als zwei Jahrzehnte und waren vielen Menschen in Lingen und Umgebung bekannt, z. B. Oberin Schwester Antonina (1873-1907), Schwester Jovina (1928-1954), Schwester Christianis (1940-1974), 34 Jahre lang Leiterin der Küche, und Schwester Firminia (1940 – 1979), die zur Ehrenbürgerin der Stadt Lingen ernannt wurde .
Einen herben Verlust erlitt das St. Bonifatius-Hospital in den Jahren 1894/95. Damals starben innerhalb von zwei Jahren fünf junge Schwestern im Alter von 24 bis 34 Jahren. Drei von ihnen hatten nur ein Jahr in Lingen gewirkt .
Weltliches Personal war zunächst nur in geringem Umfang im Krankenhaus beschäftigt. Die amtlichen Statistiken nennen für die Jahre 1888 bis 1908 jeweils einen Knecht (gelegentlich auch als Maschinenmeister bezeichnet), zwei Mägde und zwei Lehrköchinnen, ab 1909 waren es drei Mägde . Die zahlenmäßig schlecht fassbare Mithilfe der Pfründnerinnen ist dabei allerdings nicht berücksichtigt. Genauere Angaben sind dann erst wieder ab den 1930er Jahren überliefert . Aus ihnen wird deutlich, dass sich im Jahre 1937 die Ordensschwestern und die weltlichen Arbeitskräfte (ohne Pfründnerinnen) in etwa die Waage hielten. In den folgenden Jahren kam es jedoch zu einer Umkehrung des ursprünglichen Verhältnisses. 1947 war das weltliche Personal bereits deutlich in der Mehrheit, obwohl die Zahl der Ordensschwestern auf 37 zugenommen hatte .

Personalbestand 1937/1947

  1937 1947
Ordensschwestern 28 37
Weltliche Schwestern - 4
Weibliches Hauspersonal 25 40
Männliches Wirtschaftspersonal 2 7

 

Der sich 1947 abzeichnende Trend hatte sich ein Jahrzehnt später durchgesetzt. Die Zahl der Ordensschwestern stagnierte. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Beschäftigen war auf etwa ein Viertel zurückgegangen. Das weltliche Personal hatte sich bis 1957 mehr als verdoppelt.

Personalstatistik des St. Bonifatius-Hospitals 1957

  • Ärzte 10
  • Ordensschwestern 35
  • Weltliche Schwestern 19
  • Hebammen 2
  • Krankenwärter 3
  • Masseure 1
  • Verwaltung 7
  • Handwerker 8
  • Näherinnen 2
  • Beiköchinnen 2
  • Lernköchinnen 10
  • Stations- und Wirtschaftspersonal 48
  • Praktikantinnen 2
    Gesamt 149

Weltliches Personal und Ordensschwestern unterstanden gemeinsam der Oberin des St. Bonifatius-Hospitals, die in ihrer Person zwei Leitungsfunktionen vereinigte. Sie war zum einen Oberin der Ordensschwestern und als solche dem Mutterhaus in Münster rechenschaftspflichtig, zum anderen hatte sie die Leitung des gesamten Pflegedienstes inne. Bis zur Berufung eines ärztlichen Direktors und eines Verwaltungsleiters im Jahre 1938 war sie die entscheidende Person, in deren Hand alle Fäden zusammen liefen, der Dreh- und Angelpunkt des Krankenhauses. Aber auch im Direktorium, das sich damals als kollegiales Leitungsorgan herausbildete, hatte sie eine starke Stellung. Obwohl ärztliche Leitung, Pflegedienstleitung und Verwaltungsleitung de jure gleichberechtigt neben einander standen, war die Oberin allein auf Grund ihrer dauernden Präsenz im Hause für viele weiterhin der wichtigste Ansprechpartner, wenn es um die Belange des St. Bonifatius-Hospitals ging.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wirkten folgende Oberinnen am St. Bonifatius-Hospital:

  • Schw. Antonina (Helena Osseforth) 28.04.1873 – 26.06.1907 ( + Lingen 26.06.1907)
  • Schw. Felicitas (Franziska Havestadt) .........1907 - 19.08.1920
  • Schw. Victura (Anna Gerling) 20.08.1920 – 26.05.1925 ( + Lingen 22.09.1927)
  • Schw. Burgotta (Theodora Buer) 27.05.1925 – 27.05.1931
  • Schw. Adelheid (Elisabeth Lünningmeier) 28.05.1931 – 28.05.1937
  • Schw. Salamana (Elisabeth Arens) 29.05.1937 – 30.05.1946 ( + Lingen 13.1.1966)
  • Schw. Rodilia (Katharina Grever) 11.06.1946 – 16.10.1952
  • Schw. Cottida (Johanna Multhoff) 17.10.1952 – 28.02.1959
  • Schw. Balduina (Christina Resing) 05.03.1959 – 21.07.1971
  • Schw. Othmarina (Theodora Hornemann) 02.08.1971 – 03.01.1978
  • Schw. Mellonia (Maria Fein) 27.02.1978 – 14.03.1984
  • Schw. Walerica (Elisabeth Schlarmann) 02.10.1984 – 27.04. 1992
  • Schw. Burgunda (Margaretha Hendricks) 28.04.1992 – 07.08.1995
  • Schw. Irmgard (Helene Vormund) 08.08.1995 – 11.10.2003
  • Schw. Luperia (Maria Reicks) 24.01.2004 

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lag die Leitung des Pfarrers an der St. Bonifatius-Kirche in Lingen. Er handelte als Bevollmächtigter der Besitzer des Krankenhausvermögens (Dompfarrer Kitzero, Osnabrück, Pfarrer Schniers, Haselünne, und Gutsbesitzer Wess, Holthausen) und traf die grundsätzlichen Entscheidungen. An seine Stelle trat – wie bereits erwähnt – ab 1905 der Verein „St. Bonifatius-Hospital in Lingen e.V.“ bzw. das Kuratorium, dessen Vorsitzender der jeweilige Pfarrer an der St. Bonifatius-Kirche war. Die Beteiligung eines Arztes an der Leitung des Hauses war in den Statuten nicht vorgesehen. Der Magistrat der Stadt Lingen beschrieb am 30. Juni 1901 die Stellung der Ärzte am St. Bonifatius-Hospital folgendermaßen: „Ein Arzt ist an der Leitung nicht betheiligt. Ein Arzt ist überhaupt an den Krankenhause nicht angestellt., sondern jeder Kranke kann einen ihm genehmen Arzt zuziehen; die armen Kranken werden vom Armenarzt, Mitglieder von Krankenkassen von ihrem Kassenarzt behandelt .“ Die in Lingen praktizierenden Ärzte waren also lediglich belegärztlich am Krankenhaus tätig.Eine solche Form der ärztlichen Versorgung, wie sie am St. Bonifatius-Hospital damals üblich war, gab es auch an anderen Krankenanstalten im Emsland, ja sie war in ganz Preußen weit verbreitet. Der Krankenhausträger sparte die Kosten für das ärztliche Fachpersonal. Die Patienten waren nicht gezwungen, sich von einem ihnen fremden Arzt behandeln zu lassen, sondern hatten die Möglichkeit, bei dem ihnen vertrauten Arzt zu bleiben. Die preußischen Medizinalbehörden hielten dieses Verfahren jedoch für einen Missstand und drängten seit der Jahrhundertwende vermehrt auf die Anstellung von Ärzten und die Einrichtung einer verantwortlichen ärztlichen Leitung in den Krankenhäusern . Der Vorstand des St. Bonifatius-Hospitals war da allerdings anderer Meinung und weigerte sich, das Belegarztsystem aufzugeben. Er sah durch die Anstellung eines leitenden Arztes, der für die Behandlung aller Patienten zuständig war, das Krankenhaus in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet . Als sich der Regierungspräsident nicht mehr länger hinhalten ließ, stimmten die Vorstandsmitglieder, die um ihren Einfluss auf das Krankenhaus fürchteten, schließlich einer Minimallösung zu. Sie beschlossen am 19. Juni 1909, „eine verantwortliche ärztliche Leitung für den allgemeinen Krankendienst und für die gesundheitlichen Maßnahmen im St. Bonifatius-Hospital“ einzurichten und übertrugen dieses Amt zum 1. Oktober 1909 dem Lingener Arzt Sanitätsrat Dr. Johannes Bäumker . Formal war damit dem Willen des Gesetzgebers Genüge getan. An der gewohnten Praxis der freien Arztwahl der Patienten hatte sich nichts geändert. Dr. Bäumker nahm bis zum 1. Weltkrieg regelmäßig an den Vorstandssitzungen und Versammlungen des Krankenhausvereins teil. Über eine Entschädigung für seine nebenamtlich ausgeübte Tätigkeit am Krankenhaus ist nichts überliefert.
Zum Nachfolger von Dr. Bäumker wurde der praktische Arzt Dr. Ferdinand Beckmann gewählt. Er hatte sich im März 1905 in Lingen als Arzt niedergelassen . Wie sein Vorgänger war er katholisch. Sein Amt hatte er vom 1. März 1923 bis zum 31.März 1939 inne. Laut Anstellungsvertrag war ihm „die sanitäre Überwachung und technische Beratung betr. der gesundheitlichen Massnahmen und des allgemeinen Krankendienstes“ übertragen. Dazu gehörte auch „die Erstattung der Anzeigen an die Polizeibehörden des früheren und jetzigen Aufenthaltsortes bei Aufnahme gemeingefährlicher Kranker.“ Ausdrücklich ist vermerkt, dass Dr. Beckmann seine Tätigkeit als leitender Arzt ehrenamtlich ausübt , doch sollen ihm eventuelle Unkosten in begrenztem Umfang erstattet werden. Die Erörterung aller einschlägigen medizinischen, hygienischen und baulichen Fragen des Krankenhauses sollte im Kuratorium geschehen, dessen Vorstand er bis zu seinem Tod am 10. Juni 1940 angehörte .
Das Ende der Amtszeit von Dr. Beckmann steht in Zusammenhang mit der Neuordnung des ärztlichen Dienstes am St. Bonifatius-Hospital ab 1. Januar 1939. Nach dem 1. Weltkrieg hatten sich in Lingen neben den praktischen Ärzten auch mehrere Fachärzte niedergelassen. Das Adressbuch der Stadt Lingen von 1938 nennt acht Ärzte, die in der Stadt eine Praxis hatten . Fast alle waren auch als Belegärzte am Krankenhaus tätig, sodass es bei der Benutzung des Operationssaals oder wenn die Ärzte ihre Patienten in den Mehrbettzimmern besuchten, zu erheblichen Unzuträglichkeiten kam. Da sich die Ärzte unter einander trotz längerer Gespräche nicht auf eine einvernehmliche Lösung einigen konnten, ergriff das Kuratorium schließlich selbst die Initiative. Es beschloss am 29. November 1938 eine Neuregelung des Belegrechts, die auch die Billigung der ärztlichen Standesvertretungen fand. Sie trat zum Jahreswechsel 1938/39 in Kraft und markierte den Beginn der Fachabteilungen am St Bonifatius-Hospital. Zum Jahresende 1938 wurde die Zulassung sämtlicher Ärzte am Krankenhaus aufgehoben. Ab 1. Januar 1939 waren folgende fünf Fachärzte als Krankenhausärzte zugelassen: die Chirurgen Dr. Heinrich Bergmann und Dr. Gerhard Niemann, der Internist Dr. Paul Adams, der Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. Hans Hambloch sowie der Facharzt für Haut und Geschlechtskrankheiten Dr. Julius Stüting. Die genannten Fachärzte mussten sich verpflichten, „nur noch Krankenhaus- und Sprechstundenpraxis auszuüben und jede Außenpraxis mit Ausnahme der konsultativen aufzugeben“. Den praktischen Ärzten blieben die Hausbesuche und die allgemeine Praxis .
Obwohl von einigen Ärzten im Vorfeld gegen die Neuregelung des Belegrechts Vorbehalte und Bedenken geäußert worden waren, zeigte sich schon bald, dass die am Krankenhaus eingeführte Ordnung vernünftig und für alle Seiten von Vorteil war. Im übrigen lag das St. Bonifatius-Hospital mit der Einführung von Fachabteilungen, die von Fachärzten geleitet wurden, durchaus im Trend. Viele Krankenanstalten machten damals eine ähnliche Entwicklung durch. Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass das Kuratorium letztlich am Belegarztsystem festhielt und dem Drängen der staatlichen Behörden nach festangestellten Fachärzten nicht folgte.
Zugleich mit Neuregelung des Belegrechts entschied das Kuratorium auch über die Bestellung eines Nachfolgers für Dr. Beckmann. Zum neuen Leiter für die medizinisch-hygienischen Belange wurde mit Wirkung vom 1. April 1939 der Internist Dr. Adams bestellt. Wie ein Vergleich der beiden Dienstanweisungen erkennen lässt, waren seine Kompetenzen vor allem im Bereich des Personals größer als die seines Vorgängers. Er hatte ein Mitspracherecht bei der Verteilung des Personals. In der praktischen Durchführung der Krankenpflege war er gegenüber den Schwestern und dem weltlichen Pflegepersonal weisungsberechtigt. Die Berufung und Anstellung von Assistenzärzten erfolgte durch das Kuratorium auf seinen Vorschlag hin, allerdings unbeschadet der Rechte der selbständigen Abteilungsärzte .
Dr. Adams war leitender Arzt des St. Bonifatius-Hospitals, bis er am 30.September 1969 in Ruhestand ging .
Den Schritt vom Belegkrankenhaus zum „Anstaltskrankenhaus mit hauptamtlich angestellten Ärzten“ in den großen Abteilungen unter Beibehaltung der “Nebendisziplinen“ als Belegarztstationen wagte das Kuratorium nach dem 2. Weltkrieg. Am 1. Januar 1946 wurde Dr. Adams Chefarzt der Inneren Abteilung, am 1. Juli 1946 Dr. Bergmann Chefarzt für die chirurgische und gynäkologische Abteilung. Nach der Ausgliederung der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe kam 1956 als deren Chefarzt Dr. Hans Schirmacher hinzu . Bereits während des Krieges waren zwei Assistenzärzte angestellt worden, als erste Dr. Nina Stanke am 15. September 1940. Bis Ende November 1946 stieg die Zahl der Assistenzärzte und –ärztinnen auf sechs. Nach einer internen Statistik gab es 1957 am St. Bonifatius-Hospital „3 hauptamtlich angestellte Chefärzte und 7 nachgeordnete Ärzte“ .

Das kontinuierliche Wachstum des St. Bonifatius-Hospitals, ablesbar an der Zunahme des Pflegepersonals und der Bettenkapazität, erforderte mit der Zeit auch die Einstellung von Verwaltungspersonal. Die verschiedenen Verwaltungsangelegenheiten, zumal die Verwaltung des Vereinsvermögens und die Abrechnung mit den Patienten, nahmen einen solchen Umfang an, dass sie von den Kuratoriumsmitgliedern oder den Schwestern nicht mehr nebenher erledigt werden konnten.
Bei der Vereinsgründung 1905 und in den Jahren danach, als es um die Übertragung der verschiedenen Vermögensteile auf das Krankenhaus ging, war es das Vorstandsmitglied Justizrat Niemann, das sich in besonderer Weise für die Belange des Krankenhauses einsetzte. Anschließend sorgte sich dann Baumeister Gerhard Lühn bis zu seinem Tode ( + 1936) unermüdlich um das Wohlergehen des Krankenhauses, nicht nur bei den Erweiterungsbauten anfangs des 20. Jahrhunderts, sondern auch bei den alltäglichen Problemen, die ein Krankenhaus mit sich brachte. In der Ordensgeschichte der Krankenschwestern von St. Mauritz in Münster heißt es über ihn: „Jahrzehntelang Mitglied des Kuratoriums war er zugleich der gute Geist des Hauses, dachte an alles und vergaß nichts. Jeden Sonntag und vielfach in der Woche schaute er nach dem Rechten, immer in Sorge um die Schwestern und das Gedeihen der Anstalt .“
Die Rechnungsführung im Kuratorium lag anfangs bei den Kaplänen der St. Bonifatius-Pfarrei. Sie erstellten und unterzeichneten die Jahresberichte, in denen über die Entwicklung der Belegzahlen und der Finanzen sowie über größere Anschaffungen Rechenschaft gegeben wurde . Innerhalb des Krankenhauses war die Oberin für die Finanzen zuständig. Sie verwaltete die Hauskasse. Noch 1938 rechneten die Patienten mit Ausnahme der Krankenkassenmitglieder direkt mit den Krankenschwestern ab . Erste Ansätze einer ehren- oder nebenamtlichen Buchführung werden seit Beginn der 1920er Jahre greifbar. Von Oktober 1925 bis November 1937 wohnte der beim Eisenbahn-Ausbesserungswerk beschäftigte Handlungsgehilfe Paul Kramer im Krankenhaus. Von ihm wird berichtet, dass er die „Einnahmen und Ausgaben (des Krankenhauses) in eine schwarze Kladde“ eintrug . Ehrenamtlicher Rechnungsführer war von etwa 1920 bis 1929 wohl der Verwaltungsbeamte Peter Pitz. Er erstellte ausführliche Jahresberichte und Bilanzen, führte bei den Kuratoriumssitzungen Protokoll . Vom Februar 1930 bis Ende 1935 begegnet in den Krankenhausakten der beim Lingener Finanzamt tätige Steuerpraktikant Hans Lindhaus als Rechnungsführer. Ein Großteil der Korrespondenz für den Erweiterungsbau von 1935/36 stammt aus seiner Hand. Als er im Dez. 1935 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen wurde, suchte das Krankenhaus wohl auf sein Anraten hin per Zeitungsinserat eine „perfekte Buchhalterin“, die katholisch sein sollte und „die doppelte Buchführung vollkommen beherrschen“ musste . Am 1. Januar 1936 stellte das St. Bonifatius-Hospital mit der Kontoristin Emma Röbbermann aus Twistringen die erste hauptamtliche Verwaltungskraft ein. Trotz der Anstellung einer weiteren Bürokraft zum 1. Februar 1937 waren damit die Probleme aber offensichtlich noch nicht gelöst, denn im Herbst 1937 beschloss das Kuratorium, einen hauptamtlichen Rendanten oder Geschäftsführer zu berufen . Die Wahl fiel auf den knapp dreißigjährigen Franz Lindhaus aus Wellingholzhausen, den Bruder von Hans Lindhaus. Mit der Bestellung eines hauptamtlichen Geschäftsführers ging das St. Bonifatius-Hospital einen Weg, dem andere, z.T. auch größere Krankenhäuser der Region erst viel später folgten . Doch die Zukunft gab den Männern im Kuratorium recht. Unter der Geschäftsführung von Franz Lindhaus machte das St. Bonifatius-Hospital die entscheidenden Schritte auf dem Weg zu einem modernen Krankenhaus, das weit über die Stadt Lingen hinausstrahlt.
Als Franz Lindhaus 1943 zum Wehrdienst eingezogen wurde, übernahm der Fabrikant Georg Albers, seit 1918 Mitglied des Kuratoriums, ehrenamtlich die Geschäftsführung. Unterstützt von Hans Lindhaus half er dem Krankenhaus über die letzten Kriegsjahre und die erste Nachkriegszeit, bis Franz Lindhaus im März 1946 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte .
Neben der bereits geschilderten Erweiterung des St. Bonifatius-Hospitals jenseits der Baccumer Straße in 1950er Jahren galt das besondere Interesse von Franz Lindhaus dem Wirtschaftsbetrieb des Krankenhauses, der Schweinehaltung und dem großen Garten . Für die Schweinehaltung ließ er auf dem 1952 erworbenen Grumlerschen Garten an der Mühlenstiege ein neues Wirtschaftsgebäude errichten .
Anfänglich bestand das Verwaltungspersonal des Krankenhauses aus dem Geschäftsführer Franz Lindhaus und zwei weiblichen Bürokräften. 1957 waren es sieben Verwaltungs- und Schreibkräfte . Franz Lindhaus hatte die Geschäftsführung des Krankenhauses bis Ende Juni 1969 inne. Sein Nachfolger wurde Heinrich Wiegmann, zuvor Hauptamtsleiter bei der Stadt Lingen.

Es war von Anfang an das Bestreben von Pastor Diepenbrock gewesen, dem St. Bonifatius-Hospital und seiner Leitung eine weitgehende Autonomie zu sichern . Das Kuratorium, die Oberinnen und später die Geschäftsführer waren in dem hier behandelten Zeitraum stets bemüht, nach der Maxime des Gründers zu handeln und die Unabhängigkeit des Krankenhauses gegenüber kommunalen, staatlichen oder sonstigen Einflussnahmen zu sichern und zu bewahren. Dies zeigte sich besonders deutlich bei der mehrfach von staatlicher Seite geforderten Bestellung eines ärztlichen Leiters. Wie bereits geschildert war das Kuratorium gegenüber den staatlichen Vorstellungen und Wünschen jeweils nur zu Teilzugeständnissen bereit. Unterstützt wurde es bei seinen Bemühungen um die Abwehr möglicher Einflussnahmen von außen auch durch das Mutterhaus der Ordensschwestern in Münster. Als 1909 bei der erstmaligen Bestellung eines ärztlichen Leiters auch der Lingener Kreisarzt Dr. Liedig für dieses Amt im Gespräch war, kam von der Ordensleitung in Münster der Hinweis , dass dessen Berufung wegen seiner amtlichen Funktionen unzweckmäßig sei .
Hilfreich für die Erhaltung der Autonomie und Eigenständigkeit des Krankenhauses war sicher die personelle Zusammensetzung des Kuratoriums. Es fällt auf, dass sich bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts unter den Kuratoriumsmitgliedern kaum Vertreter aus politischen Gremien der Stadt Lingen finden, wohl aber mehrfach Bürgermeister aus den Umlandgemeinden . Als am 5. März 1923 der Bürgermeister der Stadt Lingen, Hermann Gilles, in das Kuratorium berufen wurde, hielt man es für notwendig, im Protokoll ausdrücklich zu vermerken, dass die Wahl „der Person, keineswegs dem Amte des Bürgermeisters gelte“ .
Voraussetzung für das erfolgreiche Autonomiestreben der Krankenhausleitung war das stete Bemühen um wirtschaftliche Unabhängigkeit von Zuschüssen der öffentlichen Hand. Das St. Bonifatius-Hospital sollte nach dem Willen seines Stifters aus eigenen Einnahmen und aus Spenden erhalten werden, es sollte sich wirtschaftlich selbst tragen. Von diesem Prinzip wurde nur in den Inflationsjahren nach dem 1. Weltkrieg abgegangen. Doch die damals von Stadt und Kreis Lingen erbetenen Beihilfen dienten nur dem nachträglichen Ausgleich von unvermeidlichen Fehlbeständen in der Jahresbilanz. Sie waren zeitbedingt und wurden weit übertroffen vom Spendenaufkommen bei den damaligen Lebensmittelsammlungen in den Landgemeinden und der Unterstützung durch Textilfirmen in der Grafschaft Bentheim .
Die Neu- und Erweiterungsbauten bis zum 2. Weltkrieg wurden ausschließlich über Eigenmittel und Darlehen finanziert. Lediglich beim Erweiterungsbau 1935/36, als es große Schwierigkeiten bereitete, die Finanzierung zu sichern, bemühte sich das Kuratorium beim Landrat und beim Regierungspräsidenten um eine Staatsbeihilfe. Es verzichtete jedoch einige Monate später auf eine mögliche Unterstützung, indem es dem Kreissausschuss am 13. Oktober 1935 mitteilte, dass man sich „um weitere Geldquellen bemüht“ habe und der Meinung sei, mit diesen Mitteln den Bau bestreiten zu können. Leider ist den nur lückenhaft überlieferten Akten nicht zu entnehmen, woher sich das Kuratorium die fehlenden Gelder beschafft hatte .
Ein weiterer Garant der wirtschaftlichen Unabhängigkeit war die eigene Landwirtschaft des St. Bonifatius-Hospitals. Zum Krankenhaus gehörte eine große Schweinehaltung und der sog. Krankenhaus-Garten, dessen Früchte der Krankenhausküche zugute kamen.
Gefährdet war die Autonomie des St. Bonifatius-Hospitals vor allem in Kriegs- und Notzeiten. Anfang 1910 hatte es das Kuratorium ablehnen können, im Kriegsfall dem Roten Kreuz für ein Lazarett Räume zur Verfügung zu stellen . Eine Absage erhielt auch der Vaterländische Frauenverein am 19. Oktober 1911 bei seinem Gesuch, im Krankenhaus Helferinnen für den Kriegsfall auszubilden . Doch als im Sommer 1914 der 1. Weltkrieg ausbrach, waren alle vorherigen Beschlüsse hinfällig. Wie in verschiedenen Sälen in der Stadt so wurde auch im St. Bonifatius-Hospital eine Abteilung des Reservelazaretts Lingen eingerichtet. Gegen Ende September 1916 waren die fünf Abteilungen des Reservelazaretts Lingen folgendermaßen mit kranken Soldaten belegt:

  • Gaststätte Wilhelmshöhe 210
  • Hotel Nave 97
  • Hotel Heskamp 44
  • Krankenhaus 69
  • Gesellenvereinshaus 57

Bereits im März 1914 hatten die Ordensschwestern vom Mutterhaus in Münster die Erlaubnis erhalten, im Kriegsfall die Verwundeten im benachbarten Gesellenvereinshaus zu pflegen .
In der Notzeit nach dem Ende des 1. Weltkriegs befand sich das St. Bonifatius-Hospital wie alle Krankenhäuser in einer schwierigen Situation. Die Einnahmen aus den Pflegesätzen reichten bei weitem nicht mehr aus, um wenigsten die laufenden Kosten zu bestreiten. Als am 30. Oktober 1922 im Gesellenhaus in Meppen von verschiedenen privaten und kirchlichen Krankenanstalten der „Krankenhausverband Emsland“ gegründet wurde, war auch das St. Bonifatius-Hospital beteiligt. Wie in der Satzung ausdrücklich betont wird, verfolgte diese Selbsthilfeorganisation vorrangig wirtschaftliche Zwecke. Angestrebt wurde eine „einheitliche Regelung der Mindestpflegesätze und Gebühren, gemeinsamer Bezug von Lebensmitteln, Brennstoffen, Wäsche usw. und ähnliches“. Außerdem war es Aufgabe des Vorstandes, „die einzelnen Häuser auch über alle sonstigen ihre Interessen berührenden Fragen (gesetzgeberische Maßnahmen, Steuerangelegenheiten, Invaliden- und Rentensachen und ähnliches)zu unterrichten und sie in allen wirtschaftlichen Dingen zu beraten“. Neben dem St. Bonifatius-Hospital zählten zu den Gründungsmitgliedern die Krankenhäuser in Meppen, Haren, Haselünne, Aschendorf, Papenburg, Werlte, Leer, Emsbüren, Schapen, Lengerich, Thuine und Bentheim; kurze Zeit später traten auch Sögel und Neuenhaus bei. Bei der Gründung des Krankenhausverbands wurde Pastor Hilling zunächst zum Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt; von 1925 bis 22. März 1933 hatte er den Vorsitz inne . Als Geschäfts- oder Rechnungsführer des Verbands fungierte ab 1925 der Verwaltungsbeamte Peter Pitz aus Lingen, der in ähnlicher Funktion nachweislich ab März 1921 auch am St. Bonifatius-Hospital in Lingen tätig war .
In den 12 Jahren der NS-Diktatur war es zunächst der Kasernenbau in Reuschberge, der das St. Bonifatius-Hospital in Verbindung zu den neuen Machthabern brachte. Am 21. Oktober 1934 verpflichtete sich das Krankenhaus durch einen mit dem Wehrkreis VI geschlossenen Vertrag, der Heeresverwaltung im Notfall 30 Betten zur Verfügung zu stellen. Für nichttransportfähige Kranke wurden einzelne Betten im Bereich der Chirurgie und der Inneren Krankheiten auf Dauer zugesagt . Die gegenüber der Wehrmacht eingegangenen Verpflichtungen waren ein gewichtiges Argument für den Erweiterungsbau von 1935/36, obwohl mit dessen Planung bereits vorher begonnen worden war. Bei der im Januar 1935 in Lingen herrschenden Grippeepidemie war die Heeresverwaltung gezwungen, einen Raum in der Stadt anzumieten, da das Krankenhaus nicht in der Lage war, die vertraglich zugesagte Zahl von erkrankten Wehrmachtsangehörigen aufzunehmen .
Es war üblich, dass der Bürgermeister der Stadt Lingen den Ordenschwestern im Krankenhaus an Weihnachten Dank und Anerkennung für die im abgelaufenen Jahr geleistete Pflege und Fürsorge aussprach und ein Präsent überreichen ließ. Diesen Brauch behielt auch der nationalsozialistische Bürgermeister Plesse bei. So wurden am Weihnachtsfest 1937 der Oberin Schwester Salamana 3 Gänse, 3 Torten und 10 Flaschen Wein übergeben, wofür diese sich in einem freundlichen, aber wohlformulierten Schreiben am 3. Januar 1938 bedankte: „[...] Gebe Gott, daß es uns auch im begonnenen Jahr vergönnt sei, unsere Tätigkeit weiterzuführen zum Besten der Hilfsbedürftigen, zum Segen für Volk und Vaterland.“
Ganz auf der Parteilinie lag Bürgermeister Plesse hingegen, als er zusammen mit dem Regierungspräsidenten und dem Landrat aus politischen Gründen die Entlassung von Dr. Beckmann als leitendem Arzt des Krankenhauses betrieb. Dr. Beckmann hatte im August 1935 wie mehrere andere Lingener das antikirchliche NS-Propaganda-Plakat „Deutsches Volk, horch auf!“ abgerissen und war dafür zu 150 RM Geldstrafe ersatzweise 15 Tage Gefängnis verurteilt worden . Außerdem war er am 3. Oktober 1935 vom ärztlichen Ehrengericht der Provinz Hannover wegen „Verletzung von Volksgenossen, die ihm den deutschen Gruß anboten“, mit einem Verweis und einer Geldstrafe von 50 RM belegt worden. Da er auch bei dem Prozess vor dem Ehrengericht seine ablehnende Haltung gegenüber den Nationalsozialisten offensichtlich deutlich gezeigt hatte, wurde ihm am 9. Oktober 1935 sogar die Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit entzogen. Damit war Dr. Beckmann für die Nationalsozialisten als leitender Arzt des St. Bonifatius-Hospitals nicht mehr tragbar. Spätestens Anfang 1936 fanden erste Vorstöße beim Kuratorium wegen einer Entlassung von Dr. Beckmann statt, massiv verfolgt wurde die Angelegenheit ab Dezember 1936. Bürgermeister Plesse verlangte, dass „eine andere geeignete Person, die in politischer Hinsicht zuverlässig“ sei, als leitender Arzt berufen werde, da der bisherige Amtsinhaber Dr. Beckmann „politisch vollkommen unzuverlässig“ sei. Pastor Hilling und die anderen Kuratoriumsmitglieder hielten jedoch unter Hinweis auf seine Verdienste und sein Ansehen bei der Landbevölkerung an Dr. Beckmann fest. Sie kamen der Partei allerdings insoweit entgegen, dass sie Dr. Beckmanns Haltung gegenüber dem Deutschen Gruß brieflich missbilligten und wie gefordert einen Stellvertreter wählten . Eine Lösung des Konflikts ergab sich Anfang 1939 mit der bereits geschilderten Neuregelung des Belegrechts am St. Bonifatius-Hospital. Da Dr. Beckmann fortan als praktischer Arzt am Krankenhaus nicht mehr tätig sein konnte, berief das Kuratorium den Internisten Dr. Adams zu seinem Nachfolger im Amts des leitenden Arztes. Dass Dr. Beckmann angesichts des jahrelangen Kesseltreibens der Nationalsozialisten gegen ihn mit dieser Entwicklung nicht einverstanden war und seine Entlassung nicht widerspruchslos hinnahm, muss nicht verwundern . Trotz des Prozesses, den er gegen die Krankenhausleitung angestrengt hatte, führte ihn das Kuratorium bis zu seinem plötzlichen Tod am 10. Juni 1940 als Vorstandsmitglied .
Als mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 der 2. Weltkrieg begann, wurde im St. Bonifatius-Hospital wieder ein Lazarett eingerichtet. Schwester Oberin Salamana schreibt dazu rückblickend in ihrer Kriegschronik: „Schon acht Tage vor Kriegsanfang rüsteten wir. Unser Krankenhaus musste zum Teil Lazarett werden. 60 Betten für chirurgische Fälle, versorgt von drei Krankenschwestern, stellten wir zur Verfügung. Der 2. und 3.9.1939 fand uns bereit. Im gleichen Monat noch erfolgte die Einrichtung von drei Teillazaretten: der Gewerbeschule für innere Fälle mit drei Krankenschwestern, der Hindenburgschule für Haut- und Geschlechtskranke, des Teillazaretts Gefängnis für chirurgische Fälle, belegt mit Kriegsgefangenen. Tagelang arbeiteten und ordneten unsere Schwestern. Tausend Dinge waren zu überlegen und zu berücksichtigen. [...] Und dennoch zog sich das Einrücken der verwundeten Soldaten in unsere frisch und sauber eingerichteten Lazarette noch Monate hin, sodass man schon an eine schnelle Beendigung des gerade angefangenen Krieges glauben durfte. Da erfolgte der Einmarsch der deutschen Truppen in Holland am 10.5.1940, und am gleichen Tage vormittags erreichten uns die ersten deutschen Verwundeten von der deutsch-holländischen Grenze. [...] Im Juli 1940 nach dem Frankreich-Feldzug wurde die Hüttenplatzschule für innere Krankheiten, belegt mit Kriegsgefangenen, eingerichtet.“ Die Lazarettverwaltung der deutschen Wehrmacht für die verschiedenen Teillazarette in Lingen hatte sich in der Nachbarschaft des Krankenhauses, im beschlagnahmten Gesellenvereinshaus, einquartiert .
Mit den Einschränkungen im Krankenhausbetrieb durch die Einrichtung des Lazaretts und mit der Arbeit in den verschiedenen Teillazaretten hatten sich die Schwestern, wenn man der Kriegschronik glauben darf, schon bald abgefunden. Große Sorge und Aufregung verursachte hingegen 1940 der Plan, im Krankenhaus eine Krankenpflegeschule für NS-Schwestern einzurichten. Tagelang befürchteten die Schwestern, aus „ihrem Haus“ vertrieben zu werden, bis schließlich das Vorhaben abgeblasen wurde und alles so blieb, wie es war .
Während im Lazarett deutsche Soldaten gepflegt wurden und sich im ganzen Reich die Verfolgung der Juden immer weiter steigerte, arbeitete in den ersten Kriegsjahren abgeschirmt von der Öffentlichkeit die betagte „Pfründnerin“ Henriette Flatow in der Küche des Krankenhauses. Von der Zwangseinweisung in eines der Judenhäuser blieb sie verschont, doch wurde sie mit weiteren jüdischen Männern und Frauen Ende Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 20. Januar 1943 den Tod fand .
Konnte das St. Bonifatius-Hospital sein Hausmitglied Henriette Flatow auch nicht vor der Deportation und dem Tod bewahren, so wurde es doch für manch einen von den vielen ausländischen Zwangsarbeitern bei Erkrankung oder Arbeitsunfällen zur Rettung. Als 1942 in Lingen der Einsatz von ausländischen Zwangsarbeitern immer mehr zunahm, verlangten Landrat und Regierungspräsident, dass die erkrankten Fremdarbeiter nicht zusammen mit der deutschen Bevölkerung in den Krankenhäusern behandelt und gepflegt würden. Sie forderten deshalb, dass nahe beim Krankenhaus im Garten des Gesellenvereinshauses für die zivilen Zwangsarbeiter eine besondere Krankenbaracke aufgestellt werden sollte, „um für die einheimische Bevölkerung die Aufnahme und Behandlung im Krankenhaus abgesondert von den Ausländern sicherzustellen.“ Mehrfach fanden Besprechungen der beteiligten Behörden und Dienststellen statt. Doch der Bau der Baracke unterblieb, da die Wehrmacht nicht bereit war, den Garten, der von den verwundeten Soldaten des Lazaretts zur Erholung genutzt wurde, abzugeben . So wurden in Lingen die erkrankten zivilen Zwangsarbeiter, gleich welcher Nationalität, ins Krankenhaus aufgenommen und genossen dort die Behandlung und Pflege der Ärzte und Schwestern wie die deutsche Bevölkerung . Noch nach einem halben Jahrhundert erinnerten sich ehemalige Zwangsarbeiter aus der Ukraine anlässlich eines Besuches in Lingen an die gute Behandlung durch Dr. Bergmann und seine russisch-sprechende Assistentin .
Andererseits gehörte das St. Bonifatius-Hospital auch zu den vielen Institutionen, die selbst Zwangsarbeiter beschäftigten. Nachweislich waren es zwei Männer und zwei Frauen, die für mehrere Jahre in unterschiedlichen Bereichen des Krankenhauses arbeiten mussten.
Der Pole Josef Hetmanowski (* 1914) kam im November 1940 zum St. Bonifatius-Hospital und wurde wohl als Sanitäter eingesetzt. Er wohnte zunächst in einem Gefangenenlager, später Gymnasialstraße 12, also im Krankenhaus. 1942 scheint er für mehrere Monate in Osnabrück und Hannover im Gefängnis gewesen zu sein, ob als Häftling oder als Sanitäter, ließ sich nicht klären. Im Oktober 1943 entfernte er sich ohne Abmeldung von seinem Arbeitsplatz im Krankenhaus .
Der Niederländer Anton de Witt aus Goor (* 1909) arbeitete seit Anfang Juni 1941 in der Landwirtschaft des Krankenhauses. Er wohnte zunächst im Zwangsarbeiterlager Greis Mühle (Rheiner Straße 17), später im Krankenhaus. Anfang September 1944 kehrte er von einem Urlaub nicht mehr nach Lingen zurück .
Die Hausgehilfin Helena Blas aus Lublin (* 1927) kam im Juni 1942 von Polen aus an das St. Bonifatius-Hospital, wo sie auch wohnte. Sie blieb bis Kriegsende in Lingen .
Ebenfalls als Hausgehilfin kam Nadija Magid (*1914) aus der Sowjetunion im April 1943 an das Krankenhaus, wo sie bis Kriegsende wohnte. Sie arbeitete offensichtlich vor allem in der Landwirtschaft des Krankenhauses .
Über die näheren Umstände, warum das St. Bonifatius-Hospital Zwangarbeiter einsetzte, ist nichts überliefert. Es kann lediglich auf der Grundlage der genau geführten Personallisten mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass neben den genannten zwei Männern und Frauen keine weiteren Zwangsarbeiter vom Krankenhaus beschäftigt wurden.

Das Streben der Krankenhausleitung nach Autonomie und Unabhängigkeit zur Wahrung der vom Gründer gegebenen Prinzipien und zum Schutz vor Einflussnahme durch Außenstehende hat es dem St. Bonifatius-Hospital ermöglicht seiner Aufgabe gerecht zu werden und zugleich zu einem großen Krankenhaus zu wachsen, dessen Einzugsbereich heute weit über Lingen hinausreicht. Für den Wandel vom privaten Belegkrankenhaus, das der Versorgung von Lingen und Umgebung dienen sollte, zum Gesundheitszentrum mit einem differenzierten Leistungsangebot für eine ganze Region wurden vom Ende des 19. bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts die entscheidenden Weichen gestellt. Als Schwerpunktkrankenhaus ist das St. Bonifatius-Hospital stärker als früher in die staatlichen Planungen im Gesundheitswesen einbezogen und erhält folglich für seine Erweiterungsbauten auch weitaus größere öffentliche Zuschüsse als in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dies eröffnet ihm neue Entwicklungsmöglichkeiten, erfordert aber auch eine stete Rückbesinnung auf die bei der Gründung vorgegebenen Ziele.

Hinweis

Aus technischen Gründen sind die Fußnoten nur in einem PDF-Download vorhanden.