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Der Erste Weltkrieg und die Nachkriegsjahre waren begleitet von einer zunehmenden Geldentwertung. Eine Folge der Inflation war, dass der Materialwert von Münzen bald höher war als ihr Nominalwert. Viele begannen nun, Münzen aus dem Verkehr zu ziehen und zu horten. So entstand ein Mangel an Kleingeld, dem viele Städte durch die Ausgabe von kommunalem Notgeld entgegenzuwirken versuchten.
Anfang 1917 gab es auch in Lingen erste Überlegungen zur Einführung von Notgeld. Als Vorbild wählte man sich das Notgeld der Stadt Melle. Die Durchführung übernahm der Verlag R. van Acken. Dann aber erreichte ein Brief des Regierungspräsidenten den Magistrat und verweigerte ihm die Herausgabe von Notgeld. Den Magistrat traf das Schreiben völlig unvorbereitet. Anfang Juli lieferte der Verlag der Stadt das neue Lingener Notgeld: 10.290 50-Pfennig-Scheine, 20.517 25-Pfennig-Scheine und 31.101 10-Pfennig-Scheine.
Tatsächlich hatte der Magistrat für die Scheine bereits eine – mehr oder weniger – alternative Verwendungsmöglichkeit gefunden. Sie wurden offiziell nicht als Notgeld herausgegeben, sondern nur als städtische Gutscheine. Faktisch jedoch erfüllten sie die Funktion von Notgeld.
Der eingeschlagene Weg schien sich zu bewähren. Im März 1918 wurde eine zweite, im Juli 1919 eine dritte Auflage geliefert. Dann trennte sich der Magistrat vom Verlag van Acken und wechselte zur Leipziger Druckerei Adolf Forker. Damit wurden die Scheine deutlich repräsentativer. Wie auch andernorts hatte man in Lingen das stadtwerberische Potenzial der Scheine erkannt. Und so zeigten die im April 1921 erschienenen neuen Scheine das Alte Rathaus und die Belagerung der Stadt von 1597. Zwei spätere Scheine von 1921 und 1922 erinnerten an die Kivelinge. In den Zahlungsumlauf sind diese Scheine aber wohl nie gelangt. Vielmehr waren sie für Sammler bestimmt.
Im Krisenjahr 1923 verschärfte sich die wirtschaftliche Situation auch in Lingen massiv. Im August konnte das Eisenbahnausbesserungswerk keinen Lohn mehr zahlen. Die Arbeiterschaft wurde unruhig und legte schließlich die Arbeit nieder. Kommunistische Gedanken machten die Runde.
Eine nach Münster ausgesandte Lokomotive kehrte mit 50-Millionen-Mark-Scheinen zurück – zu groß, um die Arbeiter auszahlen zu können. Nirgendwo in der ganzen Stadt konnten die Scheine eingewechselt werden. Schließlich gab die Reichsbahndirektion Notgeldscheine in Höhe von 1 Million Mark aus, mit denen die Löhne und Gehälter nun endlich bezahlt werden konnten.
Damit war die Notgeld-Frage in Lingen wieder aktuell. Am 20. August 1923 ermächtigte der Stadtrat die Verwaltung, Notgeldscheine anfertigen zu lassen. Die Reaktion des Regierungspräsidenten erfolgte prompt. Wieder lehnte er das Vorhaben ab und verwies auf das Notgeldmonopol der Handelskammer in Osnabrück. Nichtsdestotrotz brachte die Stadt die 1922 gedruckten Gutscheine nun tatsächlich in Umlauf. Allerdings waren sie durch einen Aufdruck auf der Rückseite umgewertet worden waren. Der neue Wert der Scheine: Fünf Millionen Mark.
Erst die Einführung der Rentenmark im November 1923 brachte für die Republik die Wende. Sie entsprach einer Billion Papiermark. Zwar war die Rentenmark kein gesetzliches Zahlungsmittel, doch wurde sie von der Bevölkerung sofort akzeptiert. Damit konnte die Inflation innerhalb kürzester Zeit gestoppt werden.
Quellen und Literatur