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Archivalie - Januar 2016

Die Große Straße, Teil 1
Der Manufakturwarenladen von Willhelm Roth in der Großen Straße Nr. 3/5 um 1950. (Stadtarchiv Lingen, Fotosammlung, Nr. 12126)

Bevor die Alte Posthalterei die Post beherbergte, war sie das Wohnhaus von Albert Pontanus. Davor stand an ihrer Stelle das Gasthaus Roskamp. Das war das Thema der Archivalie des Monats Juni 2015. Doch nicht nur die Alte Posthalterei hat eine interessante Geschichte. Auch die anderen Häuser der Großen Straße blicken auf eine mitunter lange Vergangenheit zurück. Abgabenverzeichnisse und Adressbücher geben noch heute Zeugnis von den damaligen Hausbewohnern. Da sie nicht geschlossen vorliegen, bleiben die Jahresangaben jedoch in der Regel nur Näherungswerte. Auch Baunachrichten enthalten die Register in der Regel nicht. So konnte es durchaus zum Neubau ganzer Häuser kommen, ohne dass die Verzeichnisse es dokumentieren. Das Stadtarchiv Lingen startet mit der heutigen Archivalie des Monats eine dreiteilige Serie über ausgewählte Häuser der Großen Straße seit dem 17. Jahrhundert.

Zum Nachbarhaus der Alten Posthalterei, Große Straße 3, gehören um 1700 zwei Vorkammern und ein Hinterhaus. Spätestens ab 1686 befindet es sich im Besitz des Korporals Herman Heemsen. Seit etwa 1712 bewohnt er selbst jedoch nur noch eine der Kammern, im Haupthaus wohnen erst Albert, dann Michel Zeppenfeld. Beide scheinen hoch verschuldet gewesen zu sein. 1733 ist die Nachbarin Witwe Pontanus Eigentümerin von Zeppenfelds Haus. Als elterliches Erbe fällt es schließlich an den Justizdirektor Carl Pontanus und seine Frau Christine von Leewen. Diese verkaufen das Haus 1752 mitsamt dahinterliegendem Brauhaus für 860 Gulden an den Chirurgen Johan Conrad Schröder und seine Frau Johanne Wilhelmine Metternacht, die es 1774/77 für immerhin noch 500 Gulden weiterverkauften an die Eheleute Ernst Telgmann und Fenne Stapel. Ab etwa 1790 betreibt die Familie Narjes hier eine Gastwirtschaft. Danach geht das Haus um 1813 an den Kaufmann Ludwig Langschmidt, dann um 1835 an den Untervogt Friedrich Stübe. Am 17. Oktober 1842 brennt das Gebäude ab. Stübe läßt es zwar wieder aufrichten, verkauft es aber um 1849 an Ludwig Langschmidt zurück. 1862 bis 1878 befindet es sich dann im Besitz eines gewissen Hovestadt. Zwischen 1890 und 1913 besitzt der Kaufmann Eduard Cohen das Haus. In dieser Zeit lassen sich hier auch der Lehrling A. Simon und der Lehrer L. Levy belegen. Spätestens 1917 richtet der Kaufmann Wilhelm Roth hier ein Mode- und Manufakturwarengeschäft ein, das bis in die 1960er Jahre besteht. In den 80er und 90er Jahren befindet sich hier das Schuhgeschäft Hilbers.

An das Haus Große Straße 3 schließt sich das Haus Nr. 5 an. Ursprünglich im Besitz von Jan Stickels, verkauft es die Witwe Schoeff 1665 mitsamt Kammer an Engelbert Schoeff, der wiederum nur sechs Jahre später an Jan Wolters weiterverkauft. Nach seinem Tod streiten sich 1688 seine Söhne – einer von ihnen befindet sich gerade in Ungarn im Krieg – mit ihrer Schwiegermutter um das Erbe. Da der Prozess schon viel Geld gekostet hat, will man sich endlich einigen. Schließlich übernimmt vor 1700 Herman Reinders (Reinerts) das Haus, dann der Brauer Johan Schrader. Um 1755 geht es auf Dr. Heinrich zur Eyck und seine Frau Hendrina Maria geb. Velthaus über, dann um 1788/90 auf einen gewissen Wesseling. 1795 erscheint es erstmals im Besitz der Familie Narjes, die schon das Nachbarhaus Nr. 3 besitzt. 1816/17 wohnt hier die Familie Henr. Gosmann. Spätestens 1833 befindet sich das Haus dann im Besitz des Kupferschmied Hermann Bernhard Schmedding. Auch sein Haus brennt 1842 ab und muss wieder aufgebaut werden. Schmeddings gleichnamiger Sohn übernimmt das Geschäft. Als dieser 1901 stirbt, bleibt das Haus zunächst im Besitz der Familie. Spätestens 1921 ist auch hier Wilhelm Roth Besitzer. 1958 wird dem Gebäude Große Straße 3/5 eine moderne Fassade vorgehängt, 1973 verfügt die Stadt den Abriss des alten Gebäudes.

Zwei Grundstücke weiter, in der Großen Straße 9, hatte wohl schon 1673 Bernd Uhlenberg sein Haus, um 1727 dann Jan Uhlenberg. 1731 verkaufen die neuen Besitzer – der Meppener Bürgermeister Gerhard Willebrand und seine Miterben – das große Haus an Gerrit Janssen, der wie es heißt, den Mühlenwagen fuhr, und seine Frau Margarethe Heitgreß. Um 1755 geht es dann erst an seinen Schwiegersohn Frid. Schmitz, dann an Boldewin Schmitz, der hier eine Bäckerei einrichtet. Im 18. Jahrhundert erfolgt wohl auch der Neubau als ein eineinhalbgeschossiges Fachwerkhaus. 1790/95 erscheint ein Ratsherr Schmitz als Besitzer. Um 1797 übernimmt der knapp 35jährige Branntweinbrenner Nicolaus Determann mitsamt Familie das Haus und bleibt hier zeit seines Lebens wohnen. Erst um 1846 geht das Haus an Determanns Erben. Diese überlassen es um 1855 dem Buchbinder Johann Ferdinand Zimmermann. Spätestens 1890 hat der Uhrmacher Karl Erdbrinck hier seinen Laden. Noch vor 1925 – einmalig in diesem Jahr erscheinen hier auch das Herrenkonfektions- und Schuhwarengeschäft Hieronymus Hanauer Söhne sowie eine sogenannte „Erdbrincksche Kapelle“ – übernimmt Fritz Erdbrinck das Uhrmacher- und Schmuckgeschäft. Später führt Hildegard Erdbrinck den Betrieb fort. 1970 lässt die Neue Osnabrücker Zeitung das Gebäude zur Geschäftsstelle „Lingener Tagespost“ umbauen.



Photos de haut en bas Stadtarchiv, Stadtarchiv