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Einige der interessantesten Ansichten Lingens aus dem 19. Jahrhundert stammen aus der Hand des Lithographen Friedrich Gottlieb Müller. Geboren wurde er 1816 als Sohn eines Leinenwebers im thüringischen Roda, dem heutigen Stadtroda. Mit 21 Jahren schrieb er sich zum Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste in München ein. Spätestens seit 1844 wirkte er als freischaffender Zeichenlehrer und Portätmaler in Verden. Von 1847 bis 1850 verdingte er sich kurzzeitig als Zeichenlehrer am Schulseminar in Osnabrück und unterrichtete zugleich am Domgymnasium in Verden.
Danach galt es, sich eine neue Einkommensquelle zu erschließen: er begann, gedruckte Ortsansichten anzufertigen. Um 1855 gründete er eine allein von ihm selbst betriebene Steindruckerei. In den größeren Städten gab es bereits eine große Konkurrenz auf dem Ansichtenmarkt, und so spezialisierte sich Müller auf Ansichten von norddeutschen Kleinstädten. Dafür wählte er die damals populäre Form des Sammelbilds mit einem zentralen Gesamtpanorama der Stadt, umrahmt von mehreren kleinformatigen Detailansichten. Dazu erstellte er vor Ort Vorzeichnungen, auf deren Grundlage dann in der Steindruckerei Lithographien entstanden. Motive fand er nicht nur in historischen Gebäuden, sondern auch in Industrieanlagen und Fabriken, die auf diese Weise oft zum ersten Mal graphisch erfasst wurden. Die beabsichtigte Aussage der Bilder war klar: Der Betrachter hat eine aufstrebende, fortschrittliche Stadt vor sich. So wird Müller ganz nebenbei zu einem Chronisten der Industrialisierung.
Die Orte, in denen er seine Motive fand, erreichte er zumeist mit der Eisenbahn, dessen Netz im Zuge der Industrialisierung immer dichter wurde. Als 1856 die Hannoversche Westbahn eröffnet wurde, bereiste Müller nur wenige Jahre später auch diese Strecke. Um 1860 entstanden so Sammelbilder etwa von Rheine, Leer oder Emden. In Meppen widmete er sich dem Obergerichtsgebäude, dem Bahnhof und der Eisenhütte. In Papenburg zeichnete er unter anderem die Emsfähre, die Navigationsschule, die Dampfschneidemühle und Beckmanns Werft.
Das Sammelbild von Lingen zeigt neben dem (dann doch etwas ländlich wirkenden) Stadtpanorama gleich 14 verschiedene Detailansichten, so etwa den Marktplatz und das Georgianum ebenso wie die reformierte, lutherische und die katholische Kirche. Außerdem ist der noch junge, 1856 gebaute Bahnhof dabei und die Strafanstalt, die erst 1854 auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne eingerichtet worden war. Aber auch Fabriken und Wirtschaftsbetriebe werden dargestellt: die Eisenbahnwerkstätte, die Fabrik Langschmidt, die Eisengießerei Jüngst, die Papiermühle, die Mechanische Weberei Grewe und das Packhaus am Kanal.
Üblicherweise ließ Müller die Lithographien über Buchhandlungen vor Ort vertreiben. So war es auch in Lingen. Im Oktober 1860 war das Sammelbild fertig und konnte fortan in der Lingener Buchhandlung Jüngst/Stavenhagen in zwei verschiedenen Versionen erworben werden: schwarz-weiß für einen Reichstaler und zehn Groschen oder „sauber colorirt“ für zweieinhalb Reichstaler und fünfundzwanzig Groschen.
Bis 1876 wirkte Müller als Zeichenlehrer in Verden. 1884 siedelte er schließlich nach Hannover über, wo er 1908 verstarb. Zeit seines Lebens schuf er über 130 Ansichtsbilder. Viele seiner Zeichnungen hat er nachträglich koloriert und zum Verkauf angeboten. Einige von ihnen fanden ihren Weg in das Stadtarchiv Lingen.
Die Zeichnungen von Friedrich Gottlieb Müller sind auch Teil des Vortrages „Lingen im 19. Jahrhundert“, der im Rahmen der „Herbstvorträge des Stadtarchivs“ am 19. Dezember um 19 Uhr im Professorenhaus stattfinden wird.
Quellen und Literatur