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Es ist das Jahr 1605. Seit acht Jahren befindet sich Lingen in der Hand der Oranier. Dann aber wendet sich das Kriegsglück. Am 8. August nimmt der spanische Feldherr Spinola die Stadt Oldenzaal ein. Zugleich erscheinen die ersten 150 Reiter vor Lingen. Dann kommen weitere 2000. Am 10. August hat sich dann das ganze Heer Spinolas vor den Stadttoren versammelt: Es sind Italiener, Spanier, Wallonen, Burgunder und Deutsche – insgesamt nicht weniger als 5000 Reiter und 900 Fußsoldaten.
Noch am selben Tag beginnt der Angriff. Die Artillerie wird in Stellung gebracht. Eines Nachts können die Spanier in die Bollwerke vordringen. In der Festung gerät Kommandant Martin Cobbe nun zunehmend unter Druck. Er wartet auf Moritz von Oranien, der ihm baldige militärische Hilfe zugesagt hat. Andererseits verliert er zunehmend die Unterstützung der Lingener Bevölkerung. 300 Männer haben sich bewaffnet und drohen, sich gegen die eigene Garnison zu wenden, um notfalls selbst mit dem Feind zu verhandeln. Auch der Prediger Johannes Spenhooven drängt auf die Kapitulation. Und so gibt Cobbe schließlich nach und erklärt sich bereit, mit Spinola die Kapitulationsbedingungen auszuhandeln.
Man kann sich einigen. Am 18. August zieht die oranische Garnison mit 600 Mann, darunter 50 Verwundete, ab. Einen Tag später hält Spinola Einzug in die Stadt. Er selbst hat 200 Tote und Verwundete zu beklagen. Ohne jeden Schuss, wie die spanische Propaganda später behaupten sollte, ist die Eroberung dann doch nicht vonstatten gegangen. Die Beute ist nicht allzu groß. Nach knapp einem Monat kehrt Spinola wieder zurück nach Oldenzaal. Martin Cobbe hingegen zieht sich nach Deventer zurück, um sein Handeln zu rechtfertigen. Ihm wird vorgeworfen, die Festung allzu vorschnell aufgegeben zu haben. Cobbe wird ebenso wie der Lingener Drost und andere Hauptleute festgenommen, und ihnen wird der Prozess gemacht. Der Prozess gegen Cobbe sollte sich über Jahre hinziehen.
Die Spanier befürchten nun den baldigen Gegenangriff der Oranier, und so beginnt man, Lingen zu einer der modernsten Festungen der Zeit auszubauen. Die alten Mauern werden geschliffen, der Graben verbreitert, Erdwälle aufgeworfen, die Bastionen vergrößert und das Mühlentor verlegt, sodass Stadt und Burg schließlich von einem symetrischen sechseckigen Stern umgeben sind.
Mit der Machtübernahme der Spanier folgt für die Lingener der vierte Konfessionswechsel in nur siebzig Jahren. Die reformierten Prediger werden entlassen, die Güterkasse aufgelöst und der katholische Kultus wieder eingeführt. Doch die Durchsetzung der katholischen Konfession war offenbar keine ganz leichte Aufgabe. Peter von Indevelde, der neue Drost von Lingen, berichtet in einem Brief: „Alle Bürger sind schlimmer ketzerisch gestimmt, als sie es je waren. Ich habe keine vier katholischen Personen finden können, um den Magistrat zu bilden. (…) Es gibt hier 14 Dörfer und nur zwei Pastoren. Die anderen sind entweder Ketzer oder Konkubinarier.“
Da Lingen wieder an die Spanier gefallen ist, müssen die Lingener auf ihre neuen Herrscher verpflichtet werden. 1609 erhält der Drost Peter von Indevelde eine besiegelte Urkunde. Sie kommt von den Statthaltern der Niederlande, Isabella Clara Eugenia von Spanien und ihrem Gemahl Albrecht von Habsburg. In ihr fordern die beiden ihn auf, dass er den Lingenern – also Rittern, Gutsherren, Bürgern, Rat und Eingesessenen – in ihrem Namen den Untertaneneid abnehme, auf dass sie fortan „gute und getreue Untertanen“ seien. Im Gegenzug bestätigen sie der Stadt und dem Land Lingen all ihre Rechte und nehmen sie in ihren Schutz. So entsteht die wohl prächtigste Urkunde des Lingener Stadtarchivs. Das Siegel zeigt Isabella Clara Eugenia und Albrecht. Die Siegelumschrift lautet übersetzt in etwa: „Albert und Elisabeth, Infant der Spanier, von Gottes Gnaden Erzherzöge von Österreich, Herzöge von Burgund und Brabant, Grafen von Flandern“.
Die Eroberung der Stadt durch Spinola ist eines der Themen eines Vortrags „Unter Spaniern und Oraniern. Lingen 1547 bis 1648“, mit dem Stadtarchivar Dr. Mirko Crabus die diesjährigen Herbstvorträge des Stadtarchivs eröffnet. Der Vortrag findet am 22. Oktober um 19 Uhr im Professorenhaus statt. Der Eintritt ist frei.
Quellen und Literatur