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Die Frühneuzeit war geprägt von den Versuchen der weltlichen und geistlichen Obrigkeiten, die Fest- und Trinkkultur zunehmend einzuschränken. Das betraf auch Schützenfeste. 1549 wurde in Lingen erstmals eine Vereinigung von gemeinen Schützen erwähnt. Sie veranstalteten ein Vogelschießen, das von der Stadt mit einer Tonne Bier unterstützt wurde. Acht Jahre später erscheint erstmals eine Gruppe „junger Schützen“ oder „Bürgersöhne“, die heutigen Kivelinge.
1597 eroberten die Niederländer die Stadt. Hier wie auf dem Lande übernahmen nun reformierte Prediger den Kirchendienst und schlossen sich in einer gemeinsamen Vereinigung, der Classis Lingensis, zusammen. Und eben diese Classis wandte sich 1605 mit einer Bittschrift an den niederländischen Prinzen, in der sie die Zustände im Lingener Land beklagte. Im Wesentlichen ging es um die ruinöse Trinksucht der Bevölkerung. Nicht nur Schützenfeste, auch Hochzeitsfeiern, Tauffeiern, Fastnachtsbiere, Maibiere, Pfingstbiere, Jungfrauenbiere und Grafenbiere sollten verboten oder zumindest eingeschränkt werden. Unter „Vergeudung von vieler Speise und etlicher Ladungen Bier“ feierten bis zu 300 Leute „in großer Gottlosigkeit“. „Was das Vogelschießen betrifft, an dem die Bittsteller keineswegs die Waffenübung tadeln, so wird dabei eine große Unordnung herbeigeführt, nicht allein mit der Wahl von König und Königin, öffentlichem Umhertanzen auf den Straßen, wie es hier in Lingen zum großen Spott der Nachbarn geschieht, sondern insbesondere durch die großen Trinkgelage, die vier oder fünf Tage andauern.“ Bei den Jungfrauenbieren nähmen die Mägde „mit großer Schamlosigkeit“ allen durchreisenden Passanten das Geld ab. All dies führe zu einer „große[n] Unzucht“, die in Lingen überhaupt nicht bestraft werden würde. Zwar habe der Drost schon Feste verboten, doch er stieß dabei auf den Widerstand der Gastwirte.
Die Niederländer blieben zunächst nicht lange in Lingen. Bereits 1605 eroberte Spinola die Stadt für die spanische Krone zurück. Lingen war wieder unter katholischer Herrschaft. Die Versuche, das festliche Treiben in der Grafschaft einzuschränken, setzten sich aber fort. Die Zahl der Personen, die zum Kinderbier eingeladen werden durften, wurde auf 20 begrenzt (1607), und dem Klerus wurde der Besuch von Gaststätten untersagt. Abgesehen von Taufen und Hochzeiten durfte er auch nicht mehr an den Trinkgelagen der Bauern teilnehmen (1625).
Inzwischen wieder Teil der Niederlande, wurde 1687 für die Grafschaft Lingen ein Reglement erlassen, das sich auch mit den verschiedenen Festbräuchen befasste. Sämtliche Fastabendfeste mit ihren Tänzereien, Maskeraden und Saufereien („dansseryen, mommerien en suyperien“), ebenso alle Maibiere und Schützenbiere mit ihren Wollüstigkeiten („wulpsheden“) und ihrer Gewohnheit, König und Königin zu wählen, sollten abgeschafft sein und nicht länger in Gebrauch und Gedächtnis bleiben. Brautlösen („bruylosten“), Taufmahle („doopmalen“) und andere große Gastmahle, bei denen Geld gegeben wird, durften zwar auch weiterhin stattfinden, allerdings nur mit Kenntnis des Drosten, der Ausmaß und Zeitpunkt des Festes zu bestimmen hatte.
Inwieweit diese Regelungen überhaupt durchsetzbar waren, sei dahingestellt. 1732 fand das Kivelingsfest jedenfalls statt. Der Magistrat berichtet, daß in diesem Jahr „die hiesige junge Bürger Manschaft sich heute mit Schießen auf der Scheibe divertiret hat“. Nach dem Schießen folgte die Musterung durch den Magistrat, dann eine Parade „mit Geläut von Trommeln und musicalischen Instrumenten“ durch die ganze Stadt und schließlich machte man es sich wie gewohnt auf dem Rathaus „recht lustig und frölig“.
Doch nach wie vor provozierten die Umzüge der jungen Bürgerschützen das Mißfallen der Geistlichkeit. Obwohl Lingen 1702 in preußische Herrschaft übergegangen war, konnten die Reformierten ihre Vorrangstellung gegenüber den anderen Konfessionen behaupten. 1753 beschwerten sich die reformierten Prediger darüber, „welcher Gestalt es allhier eine alte Gewohnheit sei, dass kurz nach Pfingsten die Burgers-Söhne ihren öffentlichen Auszug und Zusammenkünfte zu halten pflegen“. Neben anderen dabei auftretenden Unordnungen, die bei Jung und Alt großen Anstoß erregten, würden „verkleidete Personen öffentlich auf die Straßen herumlaufen“ und „allerley Unruh und offenbahre Schandthaten“ begehen. Die Prediger drangen darauf, dass „diese schandbahre Verkleidung und unordentliches Umlauffen ein für allemahl ernstlich verboten“ werde.
Der Magistrat versuchte zu beschwichtigen. Der Aufzug der Bürgersöhne sei eine „hier gewöhnliche (…) Sache“, und von besonderen Schandtaten wüsste man nichts. Bezüglich des Schießens in der Stadt (!) habe man bereits das Nötige verfügt. Und im Übrigen würden die Prediger ihren Studenten an der Hohen Schule ja auch die Verkleidung erlauben. Die Beschwerde blieb damit folgenlos. Es wurde auch weiterhin gefeiert.
Übrigens hat auch das Stadtarchiv heute einen Grund zum Feiern. Dies ist die 100. Archivalie des Monats.
Quellen und Literatur