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Schon vor dem Theater an der Wilhelmshöhe gab es ein Lingener Theaterleben. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts hatte sich aus ansässigen Beamtenfamilien ein Amateuertheater zusammengefunden. Vor allem in dem sich im Laufe des Jahrhunderts entwickelnden Vereinswesen wurde das Theaterspiel gepflegt. Eigene Theatergruppen bestanden etwa im Katholischen Gesellenverein, im Evangelischen Arbeiterbildungsverein, im Eisenbahnerverein und bei den Kivelingen. Auch der Marienverein, 1899 gegründet, um Mädchen von unpassenden Lustbarkeiten fernzuhalten, veranstaltete alljährlich eine Theateraufführung. Zudem gaben auswärtige Theatergruppen Gastspiele. Doch fehlten geeignete Räumlichkeiten. Man nutzte zunächst verschiedene Scheunen in der Burgstraße, dann bis 1901 auch das Gartenlokal „Papiermühle“. Danach verblieb nur noch der Saal der 1844/45 angelegten Wilhelmshöhe als größerer Spielort. Die Bedingungen dort waren alles andere als günstig: Die Bühne war zu klein, schlecht ausgeleuchtet und so schräg, dass einzelne Kulissenteile während der Aufführung nach vorne zu rutschen drohten. Kulturell interessierte Lingener besuchten zunehmend die Theater der Nachbarstädte.
Der Plan, die Aula des Georgianums in der Henriette-Flatow-Straße zum Theatersaal umzubauen, scheiterte in den 1940er Jahren an der Finanzierbarkeit. Der Plan, das Lichtspielhaus an der Ecke Lookenstraße/Synagogenstraße parallel als Theaterbühne zu nutzen, scheiterte 1955 an der Machbarkeit. Der Plan, die neue Aula des Georgianums nach seinem Umzug in die Heidekampstraße 1958 als Theaterraum einzurichten, scheiterte erneut an der Finanzierbarkeit.
1964 schließlich beauftragt der Verwaltungsausschuss das Bauamt mit der Planung einer Stadthalle. Angedacht ist ein Mehrzweckgebäude, das sowohl als Theater als auch für Fest- und Tanzveranstaltungen nutzbar ist. Wegen der hohen zu erwartenden Kosten ist das Projekt von Anfang an in der Kritik. Die Planungen nehmen schließlich eine kuriose Wende, als der Architekt Ruhnau 1972 stattdessen die Errichtung eines „multifunktionalen Kommunikationszentrums“ am Marktplatz vorschlägt, in dem man morgens einkaufen, nachmittags Sport treiben und abends – nach entsprechender Bestuhlung – Theater und Kino besuchen könnte. Die Zeiten des „Guckkastentheaters“ seien vorbei. Nach anfänglicher Begeisterung bemerkt man allmählich die mangelnde Umsetzbarkeit des Vorschlags, zumal Ruhnau die genauen Funktionsinhalte gar nicht benennen kann. Neben Marktplatz und Wilhelmshöhe werden nun auch andere Standorte ins Spiel gebracht, etwa der Justizgarten oder die Gebäude am Schulplatz. Sieben Standorte werden schließlich geprüft, bis man sich endgültig für die Wilhelmshöhe entscheidet. Die Erwartungen sind hoch: Man will ein Theater mit schrägem Podium, einen Festsaal mit ebenem Podium – sei es in zwei separaten Räumen oder mittels eines Hubpodiums – außerdem ein Foyer, Konferenzräume, ein Restaurant, eine Bierstube, eine Kegelbahn, eine Tiefgarage mit 300 Parkplätzen, später vielleicht auch ein angeschlossenes Hotel mit 80 Betten. Wahrscheinliche Kosten: mindestens zehn bis zwölf Millionen Mark.
Im Juni 1973 beschließt der Stadtrat mit den Stimmen der CDU die Ausschreibung eines Wettbewerbs. Eingereicht werden sollen Pläne für einen Mehrzwecksaal oder alternativ für einen Theatersaal und einen Festsaal im Bereich der Wilhelmshöhe. Die SPD/FDP-Fraktion stimmt dagegen. Sie hält die Pläne für überdimensioniert und verweist auf die viel zu hohen Kosten, insbesondere im Falle einer Zweisaallösung. Stattdessen fordert sie die Umgestaltung der Aula des Georgianums zu einem Theatersaal und den Umbau des Saals auf der Wilhelmshöhe zu einem Festsaal. Darüber hinaus können Kulturveranstaltungen schließlich auch im Ludwig-Windthorst-Haus, im Calvinhaus oder im Pfarrzentrum stattfinden. Viel besser könnte man das Geld für den Straßen- und Kanalisationsbau in den Ortsteilen verwenden. Auch die Lingener Jusos lehnen die Pläne ab: sie halten sie für elitär. Eine Bürgerinitiative formiert sich. Unter dem Motto „Stoppt das Millionending auf der Wilhelmshöhe“ werden Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt. Auch auf einer Bürgerversammlung erhebt sich die Forderung, untersuchen zu lassen, inwieweit die Aula des Georgianums überhaupt geeignet sein könnte, doch die CDU erteilt dem Vorschlag eine Absage.
Unter den dreißig Bewerbern geht im April/Mai 1974 der Architekt von Altenstadt als Gewinner aus dem Wettbewerb hervor. Im Dezember dann besichtigten Ratsherren gemeinsam mit Experten die Bauten in Kleve und Witten, um sich über die Vor- und Nachteile einer Mehrzweck- und einer Zweisaallösung zu informieren. Die Hubbodentechnik erweist sich schließlich als so kompliziert, dass sich der Rat im Februar 1975 auf die Zweisaallösung festlegt. Aus Kostengründen soll für 6 Millionen Markt zunächst nur der erste Bauabschnitt, nämlich das Theater realisiert werden. Auch die SPD/FDP-Fraktion stimmt schließlich zu, allerdings nur unter der Bedingung, dass nach dem ersten Bauabschnitt nicht notwendig weitere folgen werden, sondern die Wilhelmshöhe bestehen bleibe und gründlich renoviert werde. Damit ist ein Kompromiss gefunden und der Bau des neuen Theaters beschlossen.
Die Bauleitung übernimmt der Architekt von Altenstadt selbst, die Bühnenplanung Prof. Zotzmann aus Recklinghausen. Der erste Spatenstich erfolgt am 18. Mai 1976, die Grundsteinlegung am 3. März 1977. An den Kosten beteiligen sich schließlich auch die Erdölraffinerie sowie das Chemieunternehmen Bärlocher. Der kaufmännische Direktor der Raffinerie hatte bereits 1964 angemerkt, dass bei Arbeitsplatzbewerbungen häufig die Frage nach den kulturellen Gegebenheiten in der Stadt gestellt werde. Im September können die Bauarbeiten schließlich abgeschlossen werden. Das Ergebnis ist eine 280 Quadratmeter große Bühne, ein Zuschauerraum mit 661 Sitzplätzen und ein Foyer von 700 Quadratmetern. Der Orchestergraben kann mittels eines Hubbodens hochgefahren werden, sodass Platz für weitere 92 Sitzplätze entsteht.
Am Freitag, dem 23. September 1977 wird das Theater an der Wilhelmshöhe mit geladenen Gästen feierlich eröffnet, und vom Architekten von Altenstadt werden die Schlüssel übergeben. Am Samstag folgt ein Tag der offenen Tür. Dienstag stehen Beethoven, Haydn und Tschaikowsky auf dem Programm, Mittwoch Mozarts „Entführung aus dem Serail“. Noch in derselben Woche folgen die Chris-Barber-Jazzband, „Anatevka“ und Ibsens „Nora“. Die erste Spielzeit 1977/78 erweist sich als voller Erfolg. Hatte die letzte Spielzeit auf der Wilhelmshöhe bei 24 Veranstaltungen keine 7000 Besucher verzeichnet, zählt man nun bei 67 Veranstaltungen fast 43.000 Besucher.
Quellen und Literatur