Einst versammelten sich die Eingesessenen des Kirchspiels Schepsdorf regelmäßig zu einer Prozession zur alten Kapelle in Darme. Sie fand alljährlich am 4. Juli statt. Sechs Tage später, am Patronatstag der Schepsdorfer Alexanderkirche (10. Juli), hatte der Schepsdorfer Pastor den Kirchenprovisoren traditionell ein Frühstück (Prandium) auszugeben. Doch der Pastor Stodtbrock bat darum, das Frühstück auf den Prozessionstag vorzuverlegen. 1674 wurde seinem Ersuchen stattgegeben, und damit ist die Existenz der Darmer Kapelle zum ersten Mal schriftlich belegbar.
Die Anfänge der Darmer Kapelle liegen in konfessionell unruhigen Zeiten. 1597 wurde Lingen von den reformierten Oraniern erobert, 1605 eroberten die katholischen Spanier die Stadt zurück. Sie stand damit unter der Herrschaft der Statthalter der spanischen Niederlande, Isabella Clara Eugenia und ihrem Mann Albrecht VII. Doch dann wurde die Festung Lingen geschleift und fiel 1633 an die Oranier. Unter ihrer zunächst nur treuhänderischen Verwaltung blieben die Katholiken in ihrer Religionsausübung weitgehend unbehelligt. Das änderte sich, als die Oranier 1648 die vollständige Landesherrschaft zugesprochen bekamen und fortan eine Politik der Protestantisierung verfolgten. Allerdings tat sich die reformierte Kirche schwer, im Lingener Land Fuß zu fassen.
Johann Heidenreich Stodtbrock, seit 1654 katholischer Erzpriester in Lingen, geriet zunehmend in Konflikt mit der reformierten Obrigkeit. 1662 floh er vor der drohenden Verhaftung zunächst nach Darme, bis der Bischof von Münster ihn 1667 zum Pfarrer von Schepsdorf ernannte. Darme und Schepsdorf gehörten nicht zur Grafschaft Lingen, sondern zum Bistum Münster, standen also unter katholischer Herrschaft. Nach einer kurzzeitigen Besetzung Lingens durch den Bischof von Münster 1672-1674 reagierten die Oranier mit einem konsequenten Reformationsversuch. Unter anderem wurde den katholischen Geistlichen im März 1675 der Aufenthalt im Lingener Land untersagt. Im münsterischen Grenzgebiet entstanden derweil – unterstützt vom Bischof – von Geistlichen betreute Notkirchen. So unterhielten die Lingener ein Bethaus auf dem Darmer Möddelhof, die Thuiner und Baccumer ein Bethaus auf dem Lükenhof. Im katholischen Widerstand gegen die Oranier nahm Stodtbrock bis zu seinem Tod 1697 eine Schlüsselstellung ein, und auch die Aufwertung der Prozession zur Darmer Kapelle – bei der fortan ja offenbar auch die Kirchenprovisoren anwesend waren – scheint in dieses Bild zu passen.
Im Jahre 1910 beschrieb der Lokalhistoriker Schriever die Inneneinrichtung der Kapelle wie folgt: „Auf dem Altärchen steht ein großes Kreuz mit Korpus und vor demselben eine Marienstatue. Seitwärts hängt ein altes Wappenschild. Ein Türmchen als Dachreiter beherbergt ein Glöckchen, welches dreimal täglich zum Angelus läutet“. Das genannte Wappenschild, ein Sandstein von etwa 65 x 70 cm, zeigt das Wappen von Isabella Clara Eugenia und Albrecht VII. Beide erscheinen auch als Schildhalter: Isabella mit Palmzweig in der Hand, Albrecht mit einem Schwert. Ihr Siegelabdruck an einer 1609 ausgestellten Urkunde, die sich heute im Lingener Stadtarchiv befindet, zeigt ein ganz ähnliches Motiv. Wann und wie das Wappenschild in die Darmer Kapelle kam, ist unbekannt. Es ließe sich aber vermuten, dass es infolge ihrer 1605 beginnenden Herrschaft über Lingen irgendwo an der Lingener Festungsanlage oder auf der Burganlage angebracht war. Die Beschädigungen des Steins könnten etwa durch Wettereinflüsse oder bei der Demontage entstanden sein. Die Vermutung, dass der Stein um 1632 von aus der Stadt fliehenden Katholiken in Sicherheit gebracht worden sei, scheint allerdings fraglich, da die Oranier 1633 gar keinen Konfessionwechsel herbeiführten und somit niemand fliehen musste. Zudem verblieb die offizielle Landesherrschaft bei den Spaniern, ihre Herrschaftszeichen wurden also vielleicht erst 1648 entfernt. Immerhin wäre es möglich, dass der Stein bei Schleifung der Festungswerke als Bauschutt anfiel und danach irgendwie den Weg über die münsterische Grenze fand. Seine Funktion als Hoheitszeichen hatte das Wappenschild danach natürlich verloren. Als Erinnerung an die Zeit unter katholischer Herrschaft dürfte der Stein für die regelmäßig zum Gottesdienst nach Darme wandernden Katholiken aber durchaus noch von symbolischer Bedeutung gewesen sein. Doch wie gesagt: Belegen lässt sich seine Existenz in der Kapelle erst für das Jahr 1910. Und so könnte der Stein auch erst deutlich später in die Kapelle gelangt sein.
Die Kapelle wurde mit der Zeit baufällig. So entstand 1715 ein Neubau mit Innenmaßen von 5,3 x 3,5 m. Später – vielleicht um 1770 – bat der Schepsdorfer Pfarrer Völker die obere Kirchenbehörde um Erlaubnis, in der Darmer Kapelle das Messopfer feiern zu dürfen. Die Kapelle sei im Laufe der Zeit zusammengefallen, nun aber wieder aufgebaut. Und das Messopfer, so erzähle man wenigstens, sei schon früher dort gefeiert worden. Als Eigentümer der Kapelle lässt sich 1874 – trotz der Nähe zum Hof Lüken/Grote – der Colon Möddel nachweisen. Die Kosten für eine Renovierung 1864 übernahm allerdings die Gemeinde Darme, und der ursprüngliche Altarstein wurde aufgrund seines schlechten Zustands 1888 in die Schepsdorfer Pfarrkirche überführt. Seit dem Zweiten Weltkrieg befindet sich dort auch eine ursprünglich in der Darmer Kapelle aufgestellte Statue der Anna selbdritt. 1957 erhielt die Kapelle einen neuen Außenanstrich, 1970 wurde der Innenraum renoviert, der alte Altar durch eine hölzerne Pieta ersetzt und Buntglasfenster, die ursprünglich aus der Bonifatiuskirche stammten, eingebaut. Weitere Renovierungsarbeiten fanden 1983 und 2001 statt. Die Kapelle steht heute unter Denkmalschutz.
Die kath. Christ-König Kirchengemeinde Darme wird am 15. und 16. Juni 2024 das Pfarrfest um die Darmer Kapelle und bei der Grundschule Darme veranstalten. Am 15. Juni 2024 geht es mit einer Vorabendmesse um 17 Uhr an der Darmer Kapelle los. Während des Pfarrfestes am Sonntag, 16. Juni 2024 von 15 bis 18 Uhr wird es Kurzvorträge zur Historie der Darmer Kapelle geben.
Quellen und Literatur