3. Okt.: „In vergangener Woche wurde hier fast jede Nacht eingebrochen, so u.a. beim Kaufmann W. Roth, wo die Diebe eine seltene Dreistigkeit an den Tag legten. Die Unsicherheit wirkt so beängstigend, daß die hiesigen Gewerbetreibenden (…) beschlossen, sofort eine Wache zum Selbstschutz gegen Diebe und Einbrecher zu organisieren. (…) Selbstredend wird sich die Wachtätigkeit nur auf die Häuser der Mitglieder beschränken. (…) Eigentlich wäre es ja Sache der Polizei. Es ist aber infolge der ungeheuren Kosten nicht möglich, den Beamtenkörper entsprechend zu vergrößern.“ (LV)
4. Okt.: „Die gestern abend stattgefundene (…) Gewerbetreibenden-Versammlung hat sich der hiesigen Polizei geschlossen als Hilfspolizei zur Verfügung gestellt, um so dem Diebsgesindel, welches unzweifelhaft über Ortskenntnisse verfügt, das Handwerk zu legen. Der Selbstschutz wird nicht sehr lange in Tätigkeit sein brauchen, da schon in allernächster Zeit ein Kommando Schupo nach Lingen verlegt wird. Die von den Franzosen aus Oberhausen vertriebenen Schupomannschaften waren bislang an der Grenze verstreut und sollen künftig aus dienstlichen Gründen in geschlossenen Orten in Bürgerquartieren untergebracht werden.“ (LW)
6. Okt.: „(Es) haben sich hiesige Gewerbetreibende und Hausbesitzer der Polizei als Hilfsbeamte für den Nachtwachdienst zur Verfügung gestellt. Die Betreffenden sind von der Regierung als Hülfspolizeibeamte bestätigt und im Dienst durch eine weiße Armbinde mit dem Aufdruck ‚Polizei‘ und dem städtischen Dienstsiegel erkenntlich. Diese Hülfspolizeibeamten haben während ihres Dienstes dieselben Befugnisse wie die städtischen Polizeibeamten. Ihren Anordnungen ist unbedingt Folge zu leisten. Lingen, den 4. Oktober 1923. Der Magistrat. Gilles.“ (LW)
6. Okt.: „Wie notwendig dieser Selbstschutz hier in Lingen ist, zeigt wieder der vorgestern bei einem pensionierten Beamten in der Lookenstraße verübte Diebstahl. Dort wurden (…), kurz, alles, was den Dieben in die Quere kam, gestohlen.“ (LV)
6. Okt.: „Markenbrotpreis. (…) 1900 Gramm Graubrot 23.000.000 Mark; 1900 Gramm Schwarzbrot 22.000.000 Mark; 1400 Gramm Mischmehl 13.500.000 Mark; 1400 Gramm Roggenschrot 13.000.000 Mark.“ (LW)
6. Okt.: „Die Arbeitslosen in Lingen und Umgebung werden gebeten, zu einer Besprechung am Montag, dem 8. Oktober, 8 Uhr abends, in der Gewerbeschule am Hüttenplatz zu erscheinen. Ortskartell der christl. Gewerkschaften. Ortsausschuss der freien Gewerkschaften.“ (LW)
13. Okt.: „Diebe statteten am Donnerstag Abend dem Kastellan des hiesigen Gesellenhauses einen Besuch ab und ließen die auf der Leine hängende Wäsche mitgehen. Außerdem wurden aus der Kaiserstr. 3 Einbrüche gemeldet, bei welchen es die Diebe auf verschiedene Wertgegenstände abgesehen hatten, so u.a. Fahrräder, Wäsche usw. Von einem im Hafen liegenden Kohlenschiff wurden 18 Zentner Kohlen gestohlen, die jedoch dank der energischen Bemühungen unserer Polzei, wieder herbeigeschafft werden konnten.“ (LW)
17. Okt.: „15. Oktober. Heute Nacht wurde wieder eingebrochen und zwar in der Filiale des Konsumvereins an der Meppenerstraße. Der Konsumverein wurde dadurch schwer geschädigt. Also trotz ‚Selbstschutz‘ Diebstahl auf Diebstahl. Solange nicht alle Bürger sich am Selbstschutz beteiligen und die einzelnen Wachbezirke, die ja für die wenigen Wachmannschaften viel zu groß sind, verkleinert oder öfter begangen werden, wird´s kaum besser werden.“ (LV)
23. Okt.: „Kreistagssitzung. (…) Beitritt des Kreises zu einer zu bildenden Aktiengesellschaft zwecks gemeinsamer Stromversorgung des gesamten Emslandes. Der Kreis erklärt seinen Zutritt zu einer zu bildenden Aktiengesellschaft, in welcher der öffentlichen Hand die Majorität vorzubehalten ist.“ (LW)
24. Okt.: „Plenarversammlung der städtischen Kollegien. (…) Um die vielen bereits vorhandenen Erwerbslosen zu beschäftigten, faßten die Kollegien folgenden Beschluss: Der Magistrat wird ermächtigt, (…) Notstandsarbeiten einzuführen. (…) Insbesondere ist für diese Arbeiten die Urbarmachung der Innenfläche der Rennbahn ins Auge zu fassen. (…) Es ist eine Siedlung in Aussicht genommen in den städtischen Forsten zwischen Brögberweg und Mühlenbach. (Jeder Siedler würde ca. 1 Morgen erhalten können, es sind also 20 Bauplätze vorhanden. (…) Der Grundgedanke ist der, daß zunächst eine sogenannte Siedlungskeimzelle geschaffen wird. (…) Es soll dadurch erreicht werden, daß der dringendsten Wohnungsnot schnell und billig gesteuert wird. (…) Die Neubauten dürfen in erster Linie nur für solche Familien errichtet werden, welche mindestens 1 Jahr in der Stadt Lingen wohnhaft sind.“ (LV)
25. Okt.: „Ueberfall im Eisenbahnzuge von Rheine nach Lingen. Auf lautes Hilfegeschrei einer Frau aus einem Abteil 3. Klasse herbeieilende Passagiere zogen die Notleine und ließen einen jungen Mann festnehmen, der die Frau überfallen hatte. Der Täter wurde in Lingen der Polizei übergeben.“ (LW)
27. Okt.: „Durch die Ungunst des Wetters ist ein großer Teil der Kartoffelernte noch nicht geborgen. Deshalb sind die Lehrpersonen ermächtigt, Urlaubsgesuche zum Helfen bei der Kartoffelernte zu genehmigen und dort, wo durch die Beurlaubungen ein ordnungsgemäßiger Schulbetrieb nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, die Schule auszusetzen.“ (LW)
27. Okt.: „Brotversorgung. Trotzdem die Stadt Lingen als Gemeinde eines Ueberschuß-Kommunalverbandes seinen Anspruch auf Getreidelieferungen durch die Reichsgetreidestelle hat, hat sich letztere in Anerkennung der Notlage der Lingener Bevölkerung bereit erklärt, der Stadt vorläufig für 14 Tage für den Kopf der Bevölkerung 150 Gramm Mehl zur Brotbereitung zu liefern. Es entfällt somit auf den Kopf der Bevölkerung für die Woche ein Brot im Gewicht von 3 ½ Pfund. Das Brot darf von den Bäckern nur gegen Brotmarken abgegeben werden. (…) Die Bäcker sind berechtigt, bei offensichtlichem Hamstern von Brot die Abgabe eines Teiles der geforderten Menge zu verweigern.“ (LV)
31. Okt.: „Am Sonntag, den 21. Oktober, hielten die kath. Arbeiter-Vereine des Bezirks Emsland im Gesellenhaus in Lingen ihren diesjährigen Delegiertentag. (…) In klaren Strichen und mit genauer Sachkenntnis zeichnete der Abgeordnete (Hagemann) ein furchtbares Bild unserer außen- und innenpolitischen Lage.“ (LV)
Aus dem Lingener Volksboten (LV) und dem Lingenschen Wochenblatt (LW). Die Zeitungen sind einsehbar im Stadtarchiv Lingen, Baccumer Str. 22, 49808 Lingen (Ems). www.stadtarchiv-lingen.de
