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Archivalie – April 2018

Die preußische Post

Die Pferdepostkutsche auf der Strecke Lingen-Neuenhaus im Jahre 1907.

Um 1650 hatte sich auf der Strecke Hamburg–Lingen–Zwolle–Amsterdam eine Reitpost etabliert, die sich im Laufe der Zeit als überaus profitabel erweisen sollte. Zu ihr gehörte auch eine Poststation in Lingen, die von der Posthalterfamilie zur Eyck betrieben wurde. Doch die Reitpost blieb nicht lange ohne Konkurrenz. 1702 fiel Lingen an Preußen, und Preußen bemühte sich fortan, in Lingen ein eigenes Postwesen zu etablieren. 1708 beantragte der Geheime Rat von Danckelmann eine Wagenpost von Zwolle nach Lingen, doch lehnte das Generalpostamt in Berlin den Vorschlag 1716 ab. Bereits zu dieser Zeit existierte in Lingen offenbar schon ein eigenes preußisches „Postambt“. Als preußischer Postmeister erscheint 1738 erstmals der 61jährige königliche Oberjäger Johann Conrad Bauer. Im selben Jahr sprach sich auch der Lingener Magistrat für eine Postwagenroute von Bremen über Lingen nach Zwolle aus. 

Ein schneller Erfolg war dem Projekt jedoch nicht beschieden, was auch am Charakter Bauers gelegen haben könnte, der von seinen Verhandlungspartnern als unruhig, polternd und wenig entgegenkommend beschrieben wurde. Er starb 1762, hatte sein Amt aber bereits 1749 an seinen offenbar umgänglicheren Sohn Friedrich Wilhelm Bauer abgetreten. Mit dem Amtswechsel ging auch eine Aufwertung des Postamtes einher. Friedrich Wilhelm Bauer und seine Nachfolger firmierten nicht mehr als bloßer Postmeister, sondern als Post-Commissarius oder Postdirektor. Seinen Sitz nahm das preußische Postamt nun in dem verkehrstechnisch günstig gelegenen Haus Am Markt 1, der heutigen Marktapotheke – gerade einmal vier Häuser von der zur Eyck’schen Post entfernt. Seit 1748 erscheint Oberjäger Bauer, ab 1749 auch sein Sohn als Besitzer des Hauses. Auch ihre Amtsnachfolger sind später als Besitzer belegbar. 1797 wurde das Gebäude durch einen Blitzeinschlag und Brand beschädigt. 

Unter Beteiligung Friedrich Wilhelm Bauers konnte 1752 tatsächlich eine Wagenpost von Lingen nach Zwolle eingerichtet werden, die bald stark genutzt wurde. Doch stieß sie auf den Widerstand Münsters, das selbst eine Postverbindung nach Zwolle unterhielt und einmal sogar den Postwagen an der münsterischen Grenze beim Emsübergang in Schepsdorf von zwanzig bewaffneten Männern anhalten und durchsuchen ließ. Aufgrund der zum Teil deckungsgleichen Route stand die Wagenpost außerdem in unmittelbarer Konkurrenz zur holländisch-hamburgischen Reitpost. 1760 forderte Preußen, im Falle des Ablebens der Postmeisterin Witwe zur Eyck selbst die Nachfolge anzutreten, was seitens der Niederlande aber abgelehnt wurde. 1775 wurde vertraglich festgelegt, dass den Niederlanden zwar weiterhin das Recht zustehe, den holländisch-hamburgischen Postmeister in Lingen zu ernennen, die Auslieferung der Lingener Briefe aber dem preußischen Postmeister in Lingen obliege. Letztlich blieben alle Versuche Preußens, die holländisch-hamburgische Poststation zu schließen, erfolglos. Erst unter dem Einfluss der Bergischen Post wurde die Station 1809 aufgegeben. In Konkurrenz stand die preußische Post aber auch zur ostfriesischen Post. Der Haselünner Postmeister Niehaus etwa stand in Diensten dieser ostfriesischen Post, die nach seinen Worten nicht mehr war als „ein Zweig der holländischen Hamburgischen Haupt-Post“. Entsprechend war Niehaus auch nicht gut auf die Preußische Post zu sprechen. Man habe, so Niehaus 1807, „in Lingen ein nach den jezigen Verhältnissen ganz überflüssiges Postamt, was durch die preussische Herrschaft über der Grafschaft Lingen sich neben dem Hollendischen Postcontoir erzeuget hat“. 

Im Gegensatz zur holländisch-hamburgischen Reitpost ermöglichte die preußische Wagenpost auch den Transport von Personen. 1757 machte der aus Isselhorst stammende Johann Conrad Lütgert davon Gebrauch. In sein Reisetagebuch schrieb er: „Von Schapen hat man noch 2 Meilen zu Lingen, alwo wir nachmittags um 5 Uhr ankamen. Weil nun die holländische Post wegen Verspätung der Unsrigen durch die Schlimmen Wegen bereits abgefahren, so mußte ich allda liegenbleiben bis nächsten Post-Tag und nahm meine Logis bei dem Schirrmeister Herrn Staroski. (…) Montags den 7ten März nachmittags um 2 Uhr fuhr ich von Lingen mit der Holländischen Post ab.“ 

1815 wurde Lingen Teil des Königreichs Hannover, und aus dem preußischen Postamt wurde ein königlich Hannoversches Grenzpostamt. Die Amtsleiter trugen fortan wieder die Bezeichnung Postmeister. Etwa zu dieser Zeit (1807/17) verließ die Post das Gebäude der heutigen Marktapotheke und zog in die Große Straße 1, die heutige Gaststätte „Alte Posthalterei“. Dort blieb sie jedoch nicht lange. Bereits 1856 siedelte sie auf Wunsch der Landdrostei in den linken Flügel des neugebauten Bahnhofsgebäudes über. Nach 1871 erhielt sie die Bezeichnung „Kaiserliches Postamt“ und wurde wieder von einem Postdirektor geleitet. 1888 bezog sie schließlich ein von Langschmidt & Sohn neu errichtetes Postgebäude in der Marienstraße 23 und residierte hier zunächst als Mieter, seit 1908 als Eigentümer. 1928 erfolgte ein Anbau, 1970/72 der Neubau. Heute befindet sich hier die Lookentorpassage. Mit dem Postamt verbunden waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch zwei Posthaltereien, die eine von Johann Friedrich Raberg in der Elisabethstraße, die andere von Heinrich Goosmann nahe der Marienstraße. Die spätere Schrödersche Posthalterei schräg gegenüber des Bahnhofs wurde 1903 an die Firma Rosemeyer verkauft. Mit dem Bau der Eisenbahn hatte sich der Postverkehr zunehmend auf die Schiene verlagert. Die Bedeutung der Reit- und Fahrpost nahm dadurch immer mehr ab, bis sie schließlich ganz verschwand. Die letzte Pferdepostkutsche verkehrte zwischen Lingen und Neuenhaus 1909 zum letzten Mal. 

Quellen und Literatur:

  • StadtA LIN, Allgemeine Sammlung, Nr. 455, Nr. 1002.
  • StadtA LIN, Bestand Acken/Hoffmann, Nr. 426.
  • StadtA LIN, Materialsammlung, Nr. 7.
  • Beesten, Werner von: Beiträge zur Chronik der Stadt Lingen aus den Jahren 1860 bis 1880, Lingen 1880.
  • Bolte, Friedrich: Die Post in Lingen, in: Postgeschichtliche Blätter „Weser-Ems“, Band III, Hefte 4-7 (1968/70).
  • Crabus, Mirko: Alte Posthalterei und Große Straße in Lingen, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 62 (2017), S. 151-182.
  • de Haan, D. W.: Die „nördliche Postroute“ Amsterdam-Lingen-Hamburg, in: Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Heimatforschung im Lingener Land 71/72 (1996/97), S. 295-318.
  • Eckey, Elisabeth: Die wirtschaftliche Erschließung Lingens durch Anschluß an das moderne Verkehrssystem im späten 19. Jahrhundert, o.O. o.J.
  • Fickers, Manfred: Enttäuschte Erwartungen. Die Eisenbahn und die wirtschaftliche Entwicklung im südlichen Emsland von 1804-1880, in: Emsländische Geschichte 19 (2012), S. 63-216.
  • Kohstall, Aloys: Das Postwesen im Kreise Lingen in früherer Zeit, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins 12 (1965), S. 178-185.
  • Lütgert, Johann Conrad: Annotation von meinem Lebenslaufe, aufgesetzet im Frühjahr 1751. Bearbeitet von Ingeborg
  • Elmendorf und Renate Schmid (Beiträge zur Geschichte des Kirchspiels Isselhorst), Isselhorst 2000.
  • Rehring, Bernhard: Das Ausbesserungswerk Lingen. Zur Bahngeschichte des Emslandes, Lübbecke 1986. 
  • Remling, Ludwig (Hg.): Aus der Geschichte Lingens und des Lingener Landes. Festgabe für Walter Tenfelde zum 70. Geburtstag (Materialien zur Lingener Geschichte 2), Lingen 1989.
  • Tenfelde, Walter: Das Feuerlöschwesen der Stadt Lingen (Ems), Lingen (Ems) 1958.


Fotos v.o.n.u.: Stadtarchiv, Stadtarchiv