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Archivalie – Oktober 2024

Der Lingener Gartenbauverein
„Für verdienstvolle Leistungen im Gartenbau“. Bronzemedaille zur Lingener Gartenbau-Ausstellung 1899.
Ankündigung der Gartenbau-Ausstellung im Lingenschen Wochenblatt vom 24. September 1899.
Die Lingener Papiermühle. Zeichnung von von Friedrich Gottlieb Müller, um 1860.
Briefkopf und Stempel des Gartenbauvereins mit der Unterschrift des Vorsitzenden Greiner aus dem Jahre 1899.
Briefkopf und Stempel des Gartenbauvereins mit der Unterschrift des Vorsitzenden Greiner aus dem Jahre 1899.

Am 1. November 1891 fanden sich Gärtner und Gartenfreunde in der Gaststätte Becker ein, um einen Gartenbauverein für Lingen und das Lingener Umland zu gründen. Gemäß seinen Statuten sollte der Verein alle Zweige des Gartenbaus fördern, und zwar durch Vorträge, Ausstellungen und der Unterhaltung einer eigenen Bücherei. Fortan fanden regelmäßig Versammlungen statt. Frühzeitig setzte man sich auch für eine Aufwertung des Lingener Wochenmarktes ein. Der Mitgliedsbeitrag betrug eine Mark pro Jahr. So hatte der Verein 1898  zwar 90 Mitglieder, aber nur 90 Mark Einnahmen, die glücklicherweise von der Stadt noch einmal aufgebessert wurden. Zwar hatte der Verein schon vorher Ausstellungen abgehalten, die Gartenbauausstellung von 1899 sollte aber alle bisherigen in den Schatten stellen.

Vertreten sein sollten sämtliche landwirtschaftlichen Vereine des Herzogtums Arensberg-Meppen und der Kreise Bentheim und Lingen. Die Vereine, aber auch Privatpersonen sollten ihr eigenes Obst und Gemüse präsentieren, auch Beerenwein, Dörrobst, Konserven und sogar Gartengeräte waren erwünscht. Außerdem gab es eine Tauschbörse für Sämereien und Pflanzkartoffeln sowie Vorträge über die in der Gegend gedeihenden Obstbäume und die Herstellung von Beerenwein. Nicht zuletzt wurden für die bestprämierten Beiträge eigens silberne und bronzene Medaillen geprägt, für die der Magistrat die Verwendung des Stadtwappens erlaubte. Im Laufe des Jahres konkretisierten sich die Planungen. Die Ausstellung sollte vom 1. bis zum 3. Oktober stattfinden, als Ort wählte man die Lingener Papiermühle. Regierungspräsident Dr. Stüve erklärte sich bereit, als Schirmherr zu fungieren. Und hundert Schulkinder erhielten je einen Blumentopf mit lebender Blume zur Pflege. Aus den Pflanzen sollte später eine eigene Blumenausstellung entstehen.

In manch anderer Stadt mussten vergleichbare Ausstellungen wegen schlechter Ernte abgesagt werden, doch in Lingen reichten die Säle der Papiermühle kaum aus, alle Ausstellungsstücke zu fassen. Fast 780 Nummern Obst, rund 800 Nummern Gemüse und 700 Blumen waren ausgestellt, zudem 50 Beerenweine und zehn Bindereien. Zwölf auswärtige Firmen präsentierten die neuesten Gartengeräte. In seiner Eröffnungsrede betonte Bürgermeister Meyer, wie viel man erreichen könne, wenn die Nachbarorte zusammenarbeiten. Da ruhe noch viel Segen in der Erde. Unter den zahlreichen Besuchern war auch der aus Osnabrück angereiste Schirmherr Regierungspräsident Stüve, der vom Vereinsvorsitzenden Greiner empfangen wurde und seinerseits von der Ehrendame Fräulein Ullerich ein Fruchtkörbchen empfing. Sogar ein Gedicht hatte man für Stüve geschrieben: „Doch erst will noch der Herbst mit seinen Gaben wohl manches Menschenherz auf Erden laben. Von seinen Früchten biete ich Dir heut hier diese Probe, die Dein Herz erfreut.“ So wurde die Ausstellung zu einem großen Erfolg. Die Lokalpresse resümierte „Der Gartenbau-Verein hat wieder einmal bewiesen, was er kann.“ und wünschte dem Verein „ein donnerndes: Vivat, floreat, crescat!“

Ausstellungen wie diese organisierte der Lingener Gartenbauverein auch weiterhin. Meist ging man im Sommer in die Gartenanlagen der Gaststätte Becker bzw. Bergen, im Herbst auf die Papiermühle. So konnte man etwa im Oktober 1907 auf über 600 Besucher, je zwei silberne und bronzene Medaillen sowie zahlreiche Ehren- und Geldpreise verweisen. Nach einer Neukonzeption wurde die Herbstausstellung 1911 zu einer „Allgemeinen großen Obst-, Gemüse- und Gartenausstellung“. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs kam die Ausstellungstätigkeit dann offenbar zum Erliegen.

Unter den Vorsitzenden Professor Fueß (<1930-1935) und Eisenbahnamtmann Schaefer (1935- >1955) fand man andere Betätigungsfelder. Regelmäßige Vorträge, oftmals gehalten von Lehrern der Landwirtschaftsschule Emsbüren, informierten über Spargel und Kartoffeln, Weinstöcke und Schnittblumen, über Pilzbefall und Schädlingsbekämpfung, über Dünger und den schlechten emsländischen Boden. Vereinsmitglieder besuchten Gärten und prämierten die am besten gepflegten. Außerdem unterhielt man in der Rheinerstraße 68 eine Mostküche, die zweimal in der Woche Gästen offenstand. 1936 schloss sich der Obst- und Gartenbauverein dem Reichsnährstand an und nannte sich fortan „Kreisgartenbauverein Lingen“. Hatte der Verein 1908 noch 150 Mitglieder, so waren es 1937 bereits 280 Mitglieder, 1941 unter dem Eindruck des Krieges sogar 350. Über das Vereinsleben in der Nachkriegszeit ist indes kaum etwas bekannt. 1955 wird der Gartenbauverein noch einmal im Adressbuch erwähnt. Danach verliert sich seine Spur. Die Gartenbauausstellung von 1899 jährt sich in diesen Tagen zum 125. Mal.

Quellen und Literatur

  • StadtA LIN, Altes Archiv, Nr. 992d.
  • StadtA LIN, Fotoserien, Nr. 289.
  • StadtA LIN, Lingener Volksbote.
  • StadtA LIN, Lingensches Wochenblatt.
  • StadtA LIN, Objektsammlung, Nr. 31.
  • StadtA LIN, ZauS NS, Nr. 13.
  • Adressbücher der Stadt Lingen.
  • Raether, Walter: Gartenbau. Ein Wirtschaftsfaktor im Emsland, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins 12 (1965), S. 51-59.


Artikeldatum: 6. Oktober 2024
Fotos v.o.n.u.: © Stadtarchiv Lingen , © Stadtarchiv Lingen , © Stadtarchiv Lingen , © Stadtarchiv Lingen , © Stadtarchiv Lingen