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Archivalie – September 2024

Brögbern
Die 1928 eingeweihte Marienkirche in Brögbern
Die Gastwirtschaft Egbers im Jahre 1912. Im Vordergrund sind die Gleise der Kleinbahn erkennbar.
Volksschule und lutherische Christuskirche in Brögbern

Brögbern entwickelte sich aus einem Hof, der als Vorwerk des Landesherrn der Versorgung der Lingener Burg diente (heute Hof Tyding). Die Abgaben des „Wichman to Brobberen“ gehörten 1467 zum Lebensunterhalt des Grafen Otto von Tecklenburg. Infolge der Entstehung der Grafschaft Lingen 1498 wurde er deutlich erweitert, verlor mit dem Ende Lingens als Residenzstadt 1541 aber wieder an Bedeutung. 1549 wird der Hof „Bruikberen“ oder „Brögberen“ beschrieben als eine dem Landesherrn gehörige, mit breiten Gräften umgebene Hofstelle. Neben dem Hof lag ein 300 Morgen großes Torfmoor, ebenfalls im Eigentum des Landesherrn, das der Versorgung mit Brennmaterial diente. Auch der Name Brögbern verweist auf ein Niedermoor („brok“, Bruch).

Auf dem Land des Hofes lag ein sogenannter Adliger Hof („Alickenhof“, „Aelckenhof“, „Alkenhof“), der sich ab Beginn des 17. Jahrhunderts belegen lässt. Die 1787 verfasste Gabelsche Chronik will wissen, dass es sich um ein früheres Lustschloss der Grafen von Tecklenburg gehandelt habe. Der Adlige Hof wurde später abgerissen, die dazugehörige Gräfte beim Hof Kuhlmann (Adeliger Hof 6) war aber noch lange erkennbar.

Die Bauerschaft Brögbern entwickelte sich vergleichsweise spät. Die „Beschrivinge“ (1555-1592) nennt auf dem Gebiet der späteren Bauerschaft Dusthausen lediglich zwei Höfe, ordnet sie aber der Bauerschaft Holthausen zu. Erst 1684 erscheinen Brögbern und Dusthausen als eigene Bauerschaften. Spätestens 1750 ging Dusthausen in der Bauerschaft Brögbern auf.

Im Jahre 1684 lässt sich in einer „niewe wonninge“ ein Schulmeister Buck belegen. 1813 erhielten der Brögberner Bauer Vohs und der Lingener Kaufmann Frye die Konzession zum Betrieb einer Windmühle. Die Vohssche Mühle litt allerdings unter der Konkurrenz der 1897 errichteten Mühle in Clusorth-Bramhar. Sie wurde 1938 stillgelegt und 1949 abgebrochen. 1904 erhielt Brögbern Anschluss an die Kleinbahn Lingen-Berge-Quakenbrück, und der Gastwirt Sperver (später Egbers) wurde Stationsvorsteher der Brögberner Haltestelle. 1918 gründete sich als einziges größeres Unternehmen in Brögbern die Fleischmehlfabrik Wagner, Lühn & Sohn KG.

Der älteste Verein in Brögbern ist der Schützenverein mit einer Königsplakette aus dem Jahr 1699. Eine Feuerwehr bestand bereits 1862. 1922 wurde der Sportverein „SV Voran Brögbern“ gegründet, der sich schließlich der Deutschen Jugendkraft anschloss. Im Rahmen der Jugendbewegung fanden sich 1925 mehrere junge Männer, später auch Frauen aus dem Ortsteil Feldhook zum „Sandhasenclub“ zusammen, so benannt nach den sandigen Ackerböden und den zahlreichen Hasen der Gegend. Bekanntheit erlangte außerdem Anna Brauer, die als diplomierte Hebamme 1908 die erste selbständig berufstätige Frau in Brögbern wurde. Als Hebamme hatte auch sie einen gewissen Anteil daran, dass die Zahl der Einwohner von 270 (1816) auf 505 (1925) anstieg.

1928 wurde eine katholische Kirche eingeweiht. Es war allerdings kein Neubau, sondern eine im westfälischen Lengerich abgebrochene Notkirche, die hier wiederaufgebaut wurde. Die alteingesessenen Bauernfamilien Tyding und Kuhlmann und in der Regel auch ihre Heuerleute waren lutherisch, und damit hatte Brögbern unter den Landgemeinden mit den höchsten Anteil evangelischer Einwohner. Und so entstand 1932 nach der Lingener Kreuzkirche die zweite lutherische Kirche des Kreises Lingen, und zwar auf einem Grundstück des Bauern Tyding.

Brögbern galt als „nationalsozialistisches Musterdorf“. Bei der Landtagswahl 1932 erreichte die NSDAP mit 18,5% hier unter allen Landgemeinden des Kreises das höchste Ergebnis. Auffälligster Exponent des Nationalsozialismus war der evangelische Lehrer und NSDAP-Ortsgruppenleiter Heinrich Beckmann. Da es gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auf Brögberner Gebiet zu Widerstandsgefechten kam, waren die Schäden im Dorf relativ groß. Am 7. April 1945 war dann aber auch für Brögbern der Krieg vorbei.

Durch den Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen stieg die Einwohnerzahl von 536 (1939) auf 772 (1950). Zudem entwickelte sich der Ort zunehmend zu einem Arbeiterwohngebiet. So entstand ab 1949 das Wohngebiet Sandbrinkerheide, gefolgt von der Hannoveranersiedlung, der Paulsiedlung an der Duisenberger Straße und ab 1967 dem Tannenkamp. Der Siedlungsschwerpunkt verschob sich damit deutlich nach Westen. 1958 entstand zwischen Wilhelmshaven und dem Ruhrgebiet eine Ölpipeline, die bei Brögbern eine Abzweigung zur Raffinerie in Holthausen bekam. 1963 wurden nordöstlich der Sandbrinkerheide auf 10 Hektar ein Erdöllager mit mehrere Großtanks gebaut. Damit wurde Brögbern zur Betriebsgemeinde der Raffinerie, und entsprechend stiegen die Gemeindeeinnahmen.

Bei der Gemeindereform favorisierte Brögbern die Bildung einer Einheitsgemeinde Holthausen mit Brögbern als Mittelpunkt. 1974 wurde Brögbern dann aber doch ein Lingener Ortsteil, und die Stadt revanchierte sich, indem sie nachhaltig in die Infrastruktur Brögberns investierte. 1976 nahm eine Schule für Sprachbehinderte und Schwerhörige unter der Trägerschaft des Landkreises den Unterricht auf. Seit 1997 trägt sie den Namen Carl-Orff-Schule. 1989 startete ein Projekt zum ökologischen Rückbau der Brögberner Teiche und des  Schillingmanngrabens. Es firmierte zugleich als Projekt der EXPO 2000.

Quellen und Literatur

  • StadtA LIN, Berichte, VB 1974.
  • StadtA LIN, Fotosammlung, Nr. 1331.
  • StadtA LIN, Fotoserien, Nr. 540 und Nr. 1001 (207).
  • StadtA LIN, Sammlung Schulchroniken, Nr. 22.
  • Bunge, Rosa/ Weinert, Max (Hg.): Brögbern. Bauerschaft – Dorf – Ortsteil, Lingen-Brögbern 1998.
  • Ev.-luth. Christus-Kirchengemeinde Brögbern (Hg.): Evangelisch-lutherische Christuskirche Brögbern, Münster 1972.
  • Festausschuss der Freiwilligen Feuerwehr Brögbern (Hg.): 100 Jahre Freiw. Feuerwehr Brögbern. Kreisfeuerwehrtag 1970, Lingen 1970.
  • Landkreis Emsland (Hg.): Umweltschutz im Landkreis Emsland, Meppen 1988.
  • Media Team GmbH (Hg.): Wirtschaftsstandort Lingen (Ems). Chancen und Perspektiven einer Stadt, Lingen (Ems) 1999.
  • Schriever, Ludwig: Geschichte des Kreises Lingen, Lingen a.d. Ems 1905/1910.
  • Stadt Lingen (Hg.): Dorferneuerungsplanung für den Ortsteil Brögbern, 1985/86.
  • Stadt Lingen (Hg.): Ist Landschaft reparierbar? Natur aus Menschenhand. Die „Brögberner Teiche“. Ein Modellvorhaben, Oldenburg o.J.
  • SV Voran Brögbern e.V. (Hg.): Festschrift 70 Jahre SV Voran Brögbern 1922 e.V., Lingen 1992.
  • Vocks, Benno: Lingen wegweisend. 99 Straßen, Wege und Plätze. Porträts und Geschichte(n), Ahlen 2015.


Artikeldatum: 2. September 2024
Fotos v.o.n.u.: © Stadtarchiv Lingen , © Stadtarchiv Lingen , © Stadtarchiv Lingen