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In der Mitte des 16. Jahrhunderts zerstörte ein Stadtbrand weite Teile der städtischen Überlieferung. Nur wenige Schriftstücke überstanden das Feuer. Eines von ihnen ist eine 1521 vom Stadtrat besiegelte Urkunde. Der Siegelabdruck blieb bis auf den heutigen Tage erhalten und ist damit der älteste im Stadtarchiv Lingen überlieferte Abdruck des Lingener Stadtsiegels. In der Urkunde verpflichten sich Grete und Johann ton Buschhake zu Zahlungen an das Armenhaus „Antonius-Gasthaus“. Auch die Verwalter des Armenhauses werden genannt. Es waren Berndt Poth und Hinrick Moller. Und damit ist die Urkunde zugleich eines der ältesten Belege für dieses Armenhaus.
Die längste Zeit seiner wohl 500 Jahre währenden Geschichte lag das Antonius-Gasthaus im Norden der Stadt nahe des noch heute so genannten Gasthausdamms. Vor der Mitte des 16. Jahrhunderts aber stand es weiter östlich, außerhalb der Stadtmauern und vor dem Burgtor.
Im Jahr 1445 wird das Gasthaus zum ersten Mal erwähnt, doch seine Anfänge liegen völlig im Dunkeln. Und so lässt sich nur vermuten, dass das Gasthaus etwa um 1400 entstanden ist. Bis dahin hatte eine Fehde zwischen den Grafen von Tecklenburg und den Bischöfen von Osnabrück und Münster weite Teile des Emslandes verwüstet. Viele flohen damals vom Land in die Stadt. Zugleich sorgte der zunehmende Handel für steigende Einnahmen. In diese Zeit dürfte – getragen von einer wohlhabender werdenden Bürgerschaft – die Stiftung des Gasthauses fallen.
In späterer Zeit wurde armen und alten Bürgerinnen und Bürgern im Antonius-Gasthaus Unterkunft gewährt. Wer aber fand dort ursprünglich Aufnahme? Seit etwa 1350 kam es in Europa immer wieder zu verheerenden Pestwellen. Infizierte Bürger wurden gewöhnlich in ihren eigenen Häusern gepflegt. Kranke Knechte, Mägde und andere Stadtbewohner ohne Hausbesitz verloren aber oftmals ihre Anstellung. Sie landeten auf der Straße und stellten damit für alle Gesunden eine Gefahr dar.
Die ursprüngliche Aufgabe des Gasthauses könnte also tatsächlich in der Aufnahme von nichtbürgerlichen Pestkranken bestanden haben. Auch die Bezeichnung „Gasthaus“ weist auf die Versorgung von Fremden und Nichtbürgern hin. Ebenso passt der heilige Antonius ins Bild. Denn Antonius wird zwar von allen Armen und Kranken angerufen, ist aber der besondere Schutzpatron der Pestkranken und als solcher Namensgeber für zahlreiche Pesthospitäler. Auch die Lage außerhalb der Stadtmauern lässt an eine ansteckende Krankheit denken, deren Opfer von den Gesunden isoliert werden mussten.
Obwohl die Pest hoch ansteckend war, trat sie nur sehr unregelmäßig auf. In pestfreien Zeiten standen Pesthäuser leer, und arme und kranke Bürger drängten auf Aufnahme. So dürfte sich das Gasthaus schnell – vielleicht schon nach wenigen Jahren – in ein gewöhnliches Hospital für Arme und Kranke verwandelt haben.
Nachweisen aber lassen sich Pestkranke im Antonius-Gasthaus nicht, und alle Quellen aus späterer Zeit sprechen immer nur von Armen und Mittellosen im Gasthaus. So übrigens auch unsere Urkunde. Sie wurde „van wegen der armen des gasthußes sunte Anthonii“ ausgestellt.
Quellen und Literatur